Spanischer Surrealismus
Ein bisschen Dalí, ein bisschen da Ponte – die Inszenierung von Matthias Remus verharrt unentschieden zwischen surrealistischen Stilbrüchen und verspielten Mozart-Reminiszenzen. Am Anfang entfaltet dies eine starke Wirkung, wenn etwa Camorra-ähnliche Gangster einen Frauenkörper mit Gitarrenhals zusammenbauen, während Almaviva und Rosina vergeblich versuchen, voneinander Abschied zu nehmen. Im weiteren Verlauf erfolgt der Stilbruch mit den Geschehnissen der „realen“ Welt jedoch nur noch sporadisch, ohne die ansonsten recht konventionelle Inszenierung voranbringen zu können. Die Idee, Almaviva als blinden Musiklehrer auftreten zu lassen, sorgt dabei für einen der seltenen komischen Höhepunkte.
Die Bühne ist eingebettet in das herrliche Barock-Ambiente der Herrenhäuser Galerie, geht aber auch in diesem unter. Stephan Dietrich inszeniert sie als Bild im Bild: Zwei große Goldrahmen umfassen die schlicht dekorierte Bühne – ein Flügel, ein paar Stühle -, der eigentliche Blickfang bleiben aber die reichhaltig dekorierten Wände der Galerie selbst.
Die Gesangspartien sind durchgängig erfreulich gut besetzt: Hilke Andersens charaktervoller Sopran hat Biss, ihre Koloraturen perlen wunderschön sanft und im koketten Kontrast zur kleinmädchenhaft-trotzigen Bühnendarstellung ihrer Rosina. Tilmann Lichdis Almaviva besticht durch ausdrucksstarkes Belcanto mit viel Schmelz, Albrecht Pöhls Figaro ist ein kraftvoller Bariton von auffallender Präsenz.
Die Hannoversche Hofkapelle unter Jörg Straube beginnt gefühlvoll, verzichtet auf überflüssige Schnörkel und Tempi-Wechsel. Während der seltenen dramaturgischen Bühnenhöhepunkten, wie etwa der Beinahe-Erschießung Bartolos, agiert sie jedoch zu zurückhaltend, steigert sich dafür aber im zweiten Aufzug bis hin zu einem fulminant-leidenschaftlichen Finale.
Die Opernaufführung ist einer der Höhepunkte der Festwochen Herrenhausen und daher – trotz der gleichzeitigen Verleihung des niedersächsischen Musikpreises mit großer Gala – seit langem ausverkauft. Das Publikum, aus allen Altersklassen zusammengesetzt, genießt das Ambiente, flaniert durch den Barock-Garten und goutiert die Oper als musikalisches Aperçu, jedoch ohne allzu großen Erinnerungswert.
Daniel Bühlow |