|
Gültige Weisheit
„Man kann zugleich nicht der sein, der man ist und der man war“ – Strawinsky komponiert den Märchen-Text von Ramuz mit seinen Menschheits-Weisheiten als solistisch fokussiertes Melodram, melodisch bewegt, rhythmisch bestimmt. Das perfekt abgestimmte Ensemble Pninin (Leitung: Bernd Smalla) wird mit den komplexen Herausforderungen der differenziert-subtilen Partitur hervorragend fertig; die kompetenten Solisten interpretieren die spätromantisch-modernen Vorgaben mit konzentrierter Verve, untermalen und verstärken den so reflexiv erzählenden Text.
Thomas Anzenhofer liest, rezitiert, zelebriert diese rhythmisierte, dialogisierte, kommentierende Geschichte vom gescheiterten Glück-Suchen mit faszinierendem Ausdruck. Man muss den Vortrag einfach mit Kategorien des großen Gesangs zu beschreiben versuchen: Ein dunkel-expressives Timbre trägt stimmliche Modulationen zur emotionalen Wirkung von Reflexion, Aufbegehren, liebender Suche, Wut, Leidenschaft und Scheitern, identifiziert sich mit naiv-verstörtem Soldaten und listig-verstelltem Teufel – mit-hoffend, mit-leidend -- und das mit stimmlichen Variationen, die in allen Exaltationen wortgenau bleiben und niemals ins Grelle oder unergründlich-Murmelnde verfallen. Eine Darbietung höchster „Sprechkunst“!!
Voran geht die Uraufführung eines Melodrams von Andreas Seemer-Koeper: „Losch“ ist ein Abgesang auf die gelebte heile Welt der Bergmanns-Kapellen und ihr emotional erlebtes Ende. Doch bleibt der Text zu konstruiert, und die Musik – vorgetragen vom Ensemble Pninin, ausschließlich mit Bläsern besetzt – trotz atmosphärischer Variationen traditioneller Motive ohne authentische Kraft. Die Konfrontation mit dem Strawinsky-Meisterwerk gibt dem Bemühen um musikalischen Ausdruck epochal-tragischer Endzeiten wenig kommunikative Chancen!
Im Kurhaus-Theater von Bad Hamm – ein Idyll am Rande des Ruhrgebiets! – versammelt sich ein interessiertes und aufnahmebereites Publikum, das gespannt folgt und die Akteure bejubelt. Der KlassikSommer Hamm erzielt mit einem Stück außerhalb des main streams einen bemerkenswerten Erfolg – und das sollte sich im nächsten Jahr auswirken; schließlich braucht das östliche Ruhrgebiet ein Mehr an kultureller Präsenz! (frs)
|
|