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Fakten zur Aufführung 

FAUST
(Charles Gounod)
30. Januar 2011 (Premiere)

Staatsoper Hamburg


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Puppenspieler

Regisseur Andreas Homoki und Ausstatter Wolfgang Gussmann haben sich für die Neuproduktion des Faust für die vieraktige Fassung ohne Walpurgisnacht entschieden, was aus dramaturgischen Erwägungen durchaus die sinnvollere Lösung ist, um wirklich die Geschichte um Gretchen in den Mittelpunkt zu stellen. Sie erzählen sie in einer klaren, bildmächtigen Sprache, scheuen – das erläutern sie auch in einem ausführlichen Interview im Programmheft – die plakative Theatralik nicht.

Zwei schwarze Wände begrenzen den Bühnenraum, zwei weitere, halbrunde schwarze Wände auf der Drehbühne sorgen dahinter für einen variablen Raum, der über den Abend hinweg aber auch einen die Szenen stets verbindenden Rahmen bildet. Margarethe ist ein puppenhaftes Wesen, das auf einem großen weißen Küchenstuhl lebt, überlebensgroße Blumentöpfe drumherum stehen für kleinbürgerliche Beschaulichkeit. Masken mit puppenhaften Gesichtern tragen aber auch die anderen Protagonisten sowie der Chor. Das knüpft an die traditionellen Puppenspiele über den Faust-Stoff an. Eine Puppe in übermenschlicher Größe steht für Margarethe in der Kirchenszene, im letzten Akt schließlich klettert sie selbst mit ihrem Kind auf dem Arm über einen den Bühnenraum beherrschenden Puppenkopf. Dieses Symbol des überdimensionierten kindlichen Elements, das hier, in der Gretchen-Tragödie, auf dem schicksalhaften Prüfstand steht, funktioniert bestens und verleiht Homokis Regie starke Momente. Überhaupt entwickelt der Regisseur aus einer im besten Sinn traditionellen Sicht auf die Figuren eine spannende Personenregie, bindet den Chor als manipulierbare Masse darin geschickt ein, konzentriert sich dabei ganz auf die düsteren Seiten. So scheint es nur konsequent, wenn den Abend über Schwarz die beherrschende Farbe auf der Bühne ist. Düsternis und Beklommenheit bestimmen die Regie, die im Lauf der Akte immer weiter an Dichte und Geschlossenheit gewinnt.

Für die tönenden Farben sorgte bravourös Cornelius Meister mit dem, von kleinen Trübungen abgesehen, großartig aufgelegten Philharmonischen Staatsorchester. Gounods Partitur klingt unter seiner Leitung ebenso perlend und duftig, grazil und leicht wie emphatisch und emotional, dramatisch und zupackend. Alle diese Facetten lotet Meister mit einer Hingabe aus, die dem doch etwas vernachlässigten französischen Repertoire nur gut tut. Damit trägt er auch sein Ensemble auf der Bühne als einfühlsamer Begleiter. Alexia Voulgaridou als Gretchen verfügt zwar nicht mehr über die Leichtigkeit für die Koloraturen und die helle, kindliche Farbe, die die Partie zu Beginn braucht, kann das aber durch ungemeine dramatische Intensität im dritten und vierten Akt vollkommen ausgleichen. Da kann sie die Qualitäten ihres leicht abgedunkelten Timbres und der Modulationsfähigkeit ihres üppigen Soprans voll ausspielen.

Giuseppe Filianoti gibt in der ersten Szenen einen wunderbar verinnerlichten Faust, tut sich mit dem Aufblühen nach der Verjüngung anfangs noch etwas schwer, gewinnt aber im Lauf des Abends zunehmend an Sicherheit und gestaltet mit seinem ausgesprochen schön gefärbten Material immer wieder ergreifende Momente. Ebenfalls etwas zaghaft zu Beginn ist Tigran Martirossian als Mephisto. Der armenische Bass, der fest zum Hamburger Ensemble gehört, verfügt über eine große, düster gefärbte Stimme, die durchaus an große Vorgänger in dieser Partie denken lässt. Vielleicht war es schlicht Premierennervosität, die ihn etwas zögern ließ, seine Stimme frei strömen zu lassen. Zurückhaltung jedenfalls muss er nicht zeigen, denn sowohl stimmlich als auch optisch verkörpert er den Teufel ausgesprochen überzeugend. George Petean besticht als Valentin mit seinem weichen, legatostarken Bariton, Maria Markina gibt überzeugend den jugendlichen Siebel, Renate Spingler macht aus der Marthe eine treffende Charakterstudie; Jongmin Park vervollständigte als Wagner das Ensemble. Der Staatopernchor schließlich ist von Christian Günther präzise und sicher auf seine heikle Aufgabe vorbereitet worden.

Das Premierenpublikum war von der musikalischen Seite durchweg begeistert und ließ auch dem Regieteam überwiegend wohlwollenden Beifall entgegenkommen. Vor allem die orchestrale Qualität weckt die Sehnsucht nach endlich wieder mehr französischer Oper auf den Opernbühnen.

Christian Schütte

 









 Fotos: Brinkhoff/Mögenburg