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Gut - Böse; Schwarz - Weiß
Ist es die Angst, bei modernen Werken mit nackten Menschen und "schräger"
Musik konfrontiert zu werden, die nicht gerade Massen von Zuschauern begeistert,
in die Häuser strömen lässt oder ist es nur der Bekanntheitsgrad eines
Klassikers, der sich für diesen als deutlich vorteilhafter erweist? Klar
ist jedoch, ein modernes Werk hat es nicht leicht, zur Aufführung zu gelangen.
In Halle jedenfalls wirkte die Premiere von Strawinskys "The Rake's Progress"
wie eine bunt gescheckte Bilderwelt, die den Drang zur eigenen Erklärung
inne hatte und es schien als wollte sich der Intendant und in diesem Fall
Regisseur Klaus Froboese mit seinem vielversprechenden Team Heinz Balthes
(Bühnenbild) und José-Manuel Vazquez (Kostüme) damit lieber auf die sichere
Seite der Inszenierungskunst begeben.
Strawinskys Werk vereint verschiedenste Einflüsse von Opern Mozarts, Hogarth
Bilderzyklus und Faustschen Manieren, doch wird in Halle ein allzu deutliches
Bild in Kostüme und Bühne entworfen, das durch die polarisierte Gegenüberstellung
von Gut-Böse, Schwarz-Weiß usw. das Publikum an die Hand nehmen und durch
das Werk führen will. Wer dann zeitweise immer noch nicht verstanden hatte,
auf welcher Stufe der "Karriere" des Tom Rakewell man gerade angelangt
war, hatte ja noch die lehrreichen Erklärungen am oberen Bildrand und
die sowieso schon auf Deutsch gesungene Fassung in petto. Ein gelegentlich
wissendes Raunen durch die Stuhlreihen ließ jedenfalls die Darsteller
aufatmen; es war noch jeder dabei.
Das Thema dieser Oper: Tugend versus Laster? So jedenfalls scheint es,
als Tom Rakewell, einmal von den Verführungen des Lebens gepackt, sich
immer weiter weg von der idyllischen Naturlandschaft, aus der sein tugendhaftes
Ich stammt, hinein in den voodooartigen Untergrund begibt.
Nils Giesecke wirkte in seiner Rolle, trotz stimmlicher Sicherheit, zeitweise
etwas fehl am Platz, doch dafür bekommen wir die Erklärung. Seine Zerrissenheit
ist Programm und ständig schwebt über ihm das hinterlassene Idyll einer
heilen Welt, die damit niemanden vergessen lässt, wer er, eingekleidet
in unschuldiges Weiß, doch wirklich ist. Sein Widersacher und schwarz
eingekleideter Verführer Nick Shadow, dargestellt von Gregory Reinhardt,
hatte es im Gegenzug nicht schwer, das Böse zu verkörpern. Seine Stimmgewalt
und sein darstellerisches Talent ließen keinen Zweifel an seiner Rolle
zu. Auch Axel Köhler, in Gestalt der Türkenbab, fühlte sich sichtlich
wohl in seiner Rolle und übertrug dies mit Freude auf sein Publikum. Facetten
und Schattierungen brachte Anke Berndt als Ann ins Geschehen, indem sie
durch einfühlsamen Gesang und auf charakterlich ausdrucksstarke Weise
die Tugendhaftigkeit für einen Moment hinter sich ließ und damit doch
einmal hinter den stringenten Verlauf der Handlung blickte. Die bunte
Bilderwelt wurde auch durch einen sehr ausdrucksstarken Chor unter der
Leitung von Jens Petereit belebt. Er vermochte durch seine gesangliche
Flexibilität auch an, nicht selten auftretenden, schwierigen Stellen zu
überzeugen.
Das alles zusammenhaltende Orchester unter der Leitung von Pavel Baleff
schien an offenen Partien, vor allem im Bläsersatz, etwas unsicher, doch
insgesamt reihten auch sie sich ein und verhalfen dem Geschehen zu intendierter
Klarheit und Transparenz.
Zu guter Letzt vereinten sich alle noch einmal zu einem lustigen Ständchen
und die anklägerische Moral "Die Früchte, gute Leut hier, seid Ihr und
Ihr" wirkte wieder einmal wie eine Erklärung für alles. (mk) |
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