Favola in Musica
Kobie van Rensburg ist nicht nur ein faszinierend-differenzierender Sänger mit unerfüllten Regie-Ambitionen – er kann sich auch auf die kommunikativen Strukturen eines komplexen Werks einlassen. Und im speziellen Fall gelingt es ihm, einen Mythos verblüffend „neu“ zu erzählen (als Regisseur), den Opern-Archetyp Orpheus vollendet zu singen – mit hoch differenziertem Gesang, kantabler Mittellage, virtuosen Trillern und Variationen sowie stimmsicheren Höhen und beeindruckender Kraft – und dazu noch animierende Video-Projektionen zu entwerfen.
Auf der kommentierend-leeren Drehbühne mit dem Orchester in einem Segment präsentiert Claudia Doderer vor wechselnden Projektionen von Sternenhimmel, Thrakienstrand und feurig-glühender Unterwelt einen Kosmos menschlicher Gefühle in Abhängigkeit des universellen Geschehens. Es entwickelt sich eine „Geschichte“ ambivalenter Gefühle – endend mit der „Himmelfahrt“ Orfeos, konterkariert durch optische Verweise auf den Monteverdi-Schluss mit den rachsüchtigen Bacchantinnen.
Neben dem überwältigenden Kobie van Rensburg haben die Sänger schweren Stand: Gesine Nowakowski ist eine hinreißend artikulierende und darstellerisch faszinierende Musica; Myrsini Margariti gibt eine selbstbewusst-verratene Eurydike mit stimmlicher Prägnanz; Anke Berndt ist eine überzeugend stimmkompetente Proserpina; Gerd Vogel gelingt ein differenziert modulierender Pluto; Ki-Hyun Park ist der prägnant selbstsichere Charonte; und Marlen Herzog gibt eine überzeugende Messaggiera. Nils Gieseckes Apollo bleibt eine pseudo-autoritäre Behauptung und Mária Petrašovská bleibt die Rolle einer Speranza-Karikatur. Der Chor des Opernhauses Halle mit den Hirten und Nymphen vermag lebensvolle Monteverdi-Klänge zu vermitteln.
Wolfgang Katschner – ansonsten Chef der Lautten Compagney – entwickelt die differenziert vermittelte Monteverdi-Musik mit permanent-gespannter Intensität zur beredten Seele der Favola in Musica, die der Regisseur Kobie van Rensburg so intensiv beschwört.
Das Händel-Festspiel-Publikum ist von der atmosphärisch-dichten Aufführung tief beeindruckt – atemloses Nachvollziehen während der Präsentation, begeisterter langanhaltender Applaus am Schluss! (frs)
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