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Schuldig-schuldlos stirbt Eddie Carbone,
weil er mit seinem unreflektiert-tradierten Werterepertoire in der feindlichen
amerikanischen Umwelt der Sizilianer nicht klar kommt. William Bolcom
komponiert einen kalkulierten Wechsel von Sprechgesang, Arien und Ensembles,
nutzt das Erbe amerikanischer Musikstile und italienischer Harmonik. Das
Libretto allerdings hängt dicht an Arthur Millers pädagogisierender Manie,
lässt durch den Advokaten (!) Alfieri die Szenen wortreich kommentieren,
konterkariert damit den opernhaften Ausdruck des Unaussprechbaren.
Das Philharmonische Orchester Hagen holt unter Georg Fritzsch aus Bolcoms
Partitur das Mögliche, präsentiert klangreiches Blech, gefühlvolle Streicher.
Die Bühne Peter Werners - eine verrottete Häuserzeile wie ein abstürzender
Schiffsrumpf mit Chortreppe auf der Drehbühne - schafft assoziativ-kommunikative
Spielräume.
Robert Tannenbaums Regiekonzept betont die von außen bedrängte Ausweglosigkeit
der handelnden Personen (wie im antiken Drama) und vermittelt mit intensiver
Personenführung viel vom Leiden der Einzelnen.
Das Hagener Ensemble zeigt erstaunliche Ensemblequalitäten mit bemerkenswertem
solistischen Selbstbewusstsein: das gilt für die unbegriffene Macho-Attitüde
Eddies von Bernd Valentin; für Kor-Jan Dusseljees ambivalenten Rodolpho
mit bestechend kraftvollem Tenor; für die verzweifelt um Emanzipation
bemühte Catherine der blendenden Magdalena Bränland, für Jae Jun Lees
authentischen Marco, und für die frustriert-tapfere Beatrice von Dagmar
Hesse.
Hagens Publikum bestätigt wieder einmal seine Skepsis gegenüber neuen
Angeboten; doch obsiegt der Respekt vor einer hervorragenden Leistung
- und zahlreiche jugendliche Besucher sorgen für akustische Begeisterung.
A View from the Bridge kann durchaus ein Publikumserfolg werden! Nicht
zu vergessen: das Programmheft bietet prägnante Informationen. (frs) |
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