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Klangfaszination
Humperdincks Übervater Wagner inspiriert zur verklärenden Spätromantik:
satte Streicherbasis, sonores Blech, elektrisierende Flöten, ein Grundzug
resignativer Weltsicht. Das Philharmonische Orchester Hagen zelebriert
unter Antony Hermus die "Fülle des Wohlklangs" hoch eingängig, wirkt in
forcierenden Momenten etwas angestrengt, hält aber den großen Orchesterstil
souverän durch!
Dominik Wortig und Angelina Ruzzafante sind die Königskinder: er gerade
in den heldentenoralen Passagen von zwingender Stimmdisziplin; sie in
den langen Phasen melodramatischen Sprechgesangs ein wenig spitz, aber
in der Todesszene von anrührendem Schmelz. Bernd Valentin bewältigt den
Spielmann zuverlässig, ohne besonders Profil zu gewinnen. Bei den vielen
Nebenrollen gibt es einige arge Ausfälle, und dem Kinderchor scheint die
natürliche Unbefangenheit genommen: das klingt viel zu brav.
Die Bühne von Axel Schmitt-Falckenberg vermittelt mit klaren Linien eine
leicht distanzierende und exotisch-andeutende Elemente die durchaus assoziationsreiche
Spielfläche für das märchenhafte Geschehen.
Die Inszenierungsidee als focussierende Dimension des Märchens bleibt
unklar: sicherlich nicht der psychoanalytische Aspekt (dazu bleibt das
Geschehen zu niedlich-naiv), wohl auch keine versteckt revolutionierende
Attitüde (obwohl vor dem Hagener Theater die Trikolore aufgezogen ist),
eher geht es wohl um die Natur als Gegenpol zur bürgerlichen Zivilisation
(die Gans als ständig begleitende Symbolfigur), aber schließlich ist es
doch ein Erlösungsdrama mit Erfüllung der Königskinder-Todessehnsüchte:
der Tod als Erlösung aus einer bürgerlich-bösen Welt. Also ein offenes
Angebot für ein offenes Publikum. In der Personenführung allerdings beharrt
Jörg Fallheier auf gravitätischem Schreiten in vorgezeichnete Positionen
bei den Solisten und statischen Tableaus der Ensembles und Chöre; das
gibt zwar eine latente Spannung zur dramatischen Musik, gewinnt aber erst
in der Todesszene emotionale Kraft.
Das behäbige Hagener Publikum folgt konsumorientiert wie eh und je, im
Auditorium entsteht nicht die Vibration des Mitgehens, eher eine Atmosphäre
wohliger Entspannung. Schade für das spektakuläre Angebot des bisweilen
mutigen Hagener Theaters. (frs) |
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