Leute machen Leute
Gottfried Kellers Novelle über die Verführbarkeit der Menschen durch äußere Erscheinung wurde in Alexander Zemlinskys Oper (1910/1922) zu einer Persiflage auf die biedere Hinterhältigkeit des Kapitalismus.Roman Hovenbitzer inszeniert in Hagen eine sublime Karikatur finanzorientierter Gesellschaften mit schmunzelndem Schweizer Humor, führt den erforderlichen kritischen Biss durch die Nebenfigur des Fahrers ein, der mephistophelisch die Selbstbezogenheit des Geldes entlarvt. Im Marthaler-Stil sind Personen im flatternden Furor über absurden Existenzen zu erleben.
Hank Irwin Kittel bietet passend dazu ein Viebrock-Ambiente, nur nicht als versifftes Gasthaus, sondern als goldglänzenden Tempel des Kapitals, schweizerisch-heimelig, aber pseudo-cool.
Unter Uwe Münch intoniert das famose Philharmonische Orchester Hagen die durchaus subtilen Zemlinsky-Klänge wie leichthin dahingetupft, lässt aber sowohl Zemlinskys spätromantische Verweise und seine Brahms-Nähe als auch seine Neutöne hoch kommunikativ Klang werden – in herrlicher Balance mit den Solisten auf der Bühne.
Kor-Jan Dusseljee ist ein stimmlich brillanter Schneider Strapinski, Dagmar Hesse ein quirlig-munteres Nettchen; die vielen (Neben-)Rollen finden in den Mitgliedern des Hagener Ensembles kompetente Präsenz mit viel Verständnis für die komplexen Anforderungen des Zemlinsky-Gesangs, der durch vielfältige Zwischentöne besticht.
Das Hagener Abo-Publikum amüsiert sich durchaus, allerdings viele im Auditorium wie Bolle auf der Kirmes: tuscheln, zeigen auf Szenen, ungeniert-ordinäres Husten. Doch die Zustimmung ist unüberhörbar, und die Zustimmung zur gemalten Conclusio „Leute machen Leute“ geradezu befreiend. (frs)
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