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Fakten zur Aufführung 

SCHARLATAN
(Pavel Haas)
13. März 2009
(Deutsche Erstaufführung:
6. März 2009)

Bühnen der Stadt Gera
Landestheater Altenburg


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Genialer Wundertäter – oder fieser Scharlatan?

Pavel Haas’ dreiaktige Oper Der Scharlatan wurde nach deren Uraufführung am 2. April 1938 im Landestheater Brünn ein großer Erfolg für den Komponisten und bedeutete einen Schritt weiter auf dem Weg zu einer Karriere, deren Keim bis dahin bereits kräftige Triebe hatte entwickeln können. Doch das Münchner Abkommen vom September 1938 und dessen Folgen, die Besetzung großer Teile Tschechiens, machten einen Strich durch diese hoffnungsvolle Entwicklung. Auch Der Scharlatan versank im tiefen Meer des Vergessens.
Auf den Bühnen der Stadt Gera taucht er inzwischen wieder auf: Kay Kuntze setzt den Scharlatan, diese illustre Mischung aus Märchen, Moritat und wahrer Begebenheit als Deutsche Erstaufführung neu in Szene. Im Zentrum steht Johann Andreas Eisenbart - von den einen als genialster Mediziner seiner Zeit verehrt, von den anderen als übler Scharlatan verachtet. Die Wahrheit über Eisenbart, diesen „Chirurgen, Arzneimittelfabrikanten, Okulisten, Stein- und Bruchschneider“ liegt vermutlich wie so oft in der Mitte.
Pavel Haas ließ sich beim Verfassen seines eigenen „Eisenbart“-Opernlibrettos von dem gleichnamigen, erst wenige Jahre zuvor erschienenen Roman des Zahnarztes Josef Winckler (auch Autor der Geschichte vom „Tollen Bomberg“) inspirieren. Der beschreibt die Atmosphäre, wie sie auf jedem Marktplatz irgendwann im 17. Jahrhundert hat aufleben können. Da kommt mit großem Trara ein Wunderheiler daher, begleitet von einem Tross urkomischer, ja skurriler Typen. Eine Mischung aus Kirmes, Klamauk - und gewiss auch Sorge um die Kranken und Siechen. Haas beschreibt das Leben des Doktors szenisch, quasi strophenhaft wie in dem Lied „Ich bin der Doktor Eisenbart, kurier’ die Leut’ nach meiner Art“. Und wie bei einer echten Moritat geraten die Sequenzen und Figuren in ihrer Ausgestaltung etwas grob, ja holzschnittartig. Das tut dem Treiben aber keinen Abbruch.
Eisenbart (Andreas Scheibner) hat Erfolg, selbst bei Amaranta (Katrin Strocka), der scheinbar völlig gelähmten Ehefrau des Professors Besserwiss, die er heilt und die sich fortan Eisenbarts Truppe anschließt. Doch da ist dieser schwarze Mönch namens Jochimus (Kai Wefer), der seine Hand erhebt und den Medikus der Scharlatanerie bezichtigt! Die Folge: Eisenbart zieht von dannen, Ehekrach inklusive. Denn Amaranta wird zur Rivalin von Eisenbarts eigener Frau Rosina.
Doch auch Jochimus, dieser finstere Geselle, hat ein Auge auf Amaranta geworfen und verschwindet mit ihr, während Eisenbart wieder einmal auf einem Markt – es könnte der von Gera sein, wo Eisenbart nachweislich aufgetreten ist – seine Elixiere anpreist. Wenig später bekommt der Doktor den Mönch unters Messer: doch der Patient stirbt unerwartet, das Volk erhebt sich gegen den einstigen Helden, dieser stürzt in Selbstzweifel, endet im Suff und bricht am Ende tot zusammen.
Pavel Haas’ Musik kennt kaum einmal Stillstand, viel Wirbel herrscht stets auch auf der Bühne, die Duncan Hayler fantasievoll ausstattet. Behutsam deutet sich das Schicksal des Komponisten an, wenn die Räder der Mühle, vor der Eisenbart und seine Mannen rasten, die Form eines rotierenden Hakenkreuzes annehmen, das kurz darauf zu brennen beginnt. Ansonsten gibt’s grellbunte Kostüme und mitunter drastische Szenen, etwa dort, wo sich eifersüchtige Frauen in Eisenbarts Sezierraum einen Kampf um noch blutige, gerade erst entnommene Organe liefern. Pralles, dralles Leben halt!
Dirigent Jens Troester animiert das Philharmonische Orchester Altenburg-Gera zu farbenreichen, quirligen Klängen, die ihre Nähe zur Musik Igor Strawinskys und Leoš Janáčeks nicht verleugnen, darüber hinaus Kraft aus der böhmischen Folklore schöpfen. Gesungen wird durchweg sehr gediegen, auf Andreas Scheibner entfällt dabei der Löwenanteil der Partitur. Doch auch die vielen kleineren Partien dieser personalintensiven Oper sind bestens besetzt. Ganz zu schweigen vom Opernchor von Theater & Philharmonie Thüringen, der ohn’ Fehl und Tadel Präsenz zeigt, stimmlich wie darstellerisch. Alles in allem eine lohnende Ausgrabung, die ab November 2009 im Landestheater Altenburg zu erleben sein wird!

Christoph Schulte im Walde

 

 






 
Fotos: Stephan Walzl