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Fakten zur Aufführung 

DER SPIEGEL DES GROSSEN KAISERS
(Detlev Glanert)
10. März 2005
(Premiere: 6.3.05)

Musiktheater im Revier Gelsenkirchen

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Parabel vom Ende

Arnold Zweig lieferte die Vorlage: die Parabel von der unlösbaren Verantwortung von Macht am Beispiel des legendären Friedrich II., der als Vorreiter von Wissenschaft und europäisch-orientalischem Austausch, aber auch als „letzter Kaiser“ des Abendlandes in die Geschichtsschreibung eingegangen ist, das mit dem Ersten Weltkrieg unterging.

Detlev Glanerts zeichenkräftige Oper verweist im Libretto (mit Ulfert Becker) sowohl auf die (Macht-)politischen Konstellationen als auch auf Konstrukte individueller Selbstbehauptung im Kontext kultureller Kräfte. Der „Spiegel“ wird zum Menetekel: Friedrich wird mit der Katastrophe konfrontiert. Musikalisch ein vielschichtiges Angebot „neuer Töne“, aber niemals Selbstzweck, vor allem in den Gesangsstimmen ein Wunderwerk variantenreicher Artikulation.

Rosamund Gilmores Regie gelingt das schwierige Zusammenführen von persönlicher Zerrissenheit, mythischen Bedrängungen und machtpolitischen Ritualen mit einem äußerst gelungenen Kunstgriff: der fiktiven Konfrontation von Real- und „Ideen“-Welten durch konkrete Sänger-Darsteller und Tänzer, diese als Repräsentanten der Reflexion, der permanenten Erinnerung. Das gelingt von repetierenden Einzelszenen bis zu reflektierenden Katastrophenbildern.

Carl Friedrich Oberles Bühne provoziert mit transparent-spiegelnden Wänden in tiefem Blutrot Assoziationen der Bedrohung, setzt die medialen Mittel der Videoprojektion als historische Konkretisierung ein und schafft ingeniöse Kommunikationsräume.

Jee-Hyun Kim gibt den Kaiser mit sensiblem Spiel und sonorer Stimme: eine brillante Rollenstudie. Die Gelsenkirchener Solisten beeindrucken mit einer bravourösen Ensembleleistung, verkörpern die differenzierten Charaktere mit verblüffenden Nuancen; und die Tänzer geben mit hingebungsvollen Positionierungen ein nachdenkenswertes Bild der aufgelösten komplexen Prozesse. Eine Übereinstimmung von Handlungs-Konstruktion und solistischer Präsenz wie selten zu erleben.

Und das wird – als Glanzleistung des MiR-Ensembles – integriert eingelöst durch die intonationssichere Neue Philharmonie Westfalen unter ihrer dirigatsicheren Cosima Sophia Osthoff: Glanerts emotionale Töne werden mit höchster Präzision entwickelt, gewinnen durch faszinierende Temperierung emotionale Dimension und werden als handlungsdeutende Klänge zu zwingender Kommunikation.

Na klar: einige wenige Resistente im Publikum murmeln Unmut; aber: das vollbesetzte Haus ist atemlos, adoptiert die Problematik, ist dem verschlüsselten optischen und akustischen Geschehen offen und fühlt sich emotional bereichert. Die am selben Abend verkündete Akzeptanz des Ruhrgebiets als „Kulturhauptstadt Europas 2010“ wird auch als Verdienst des Musiktheaters im Revier begriffen.

Die konzeptionelle Leistung Peter Theilers – Chef des MiR, 1993 Spielleiter der Uraufführung der Glanert-Oper in Mannheim – findet intensive Anerkennung! (frs)


Fotos: © Rudolf Finkes