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EXTREME
Burkhard Fritz ist Florestan! Ein
junger Sänger wechselt das Fach - und singt einen Florestan, der in Intensität
und Sensibilität mit leidender Strahlkraft und jubelnder Zurücknahme an
die Zerrissenheit der legendären Interpretation James Kings erinnert!
Jee-Hyun Kim ist ein brutal phrasierender Pizarro, Joachim G. Maaß ein
differenziert-opportunistischer Rocco ohne röhrende Bass-Exzesse, Claudia
Brauns Marzelline ist weitab aller Soubrettenattitüden eine powerful selbständige
Frau und Mark Adler gelingt ein darstellerisch gebrochen-normaler Joaquino;
Richetta Managers Leonore hat ihre stärksten Momente in den forcierten
Höhen.
Die Inszenierung Gabriele Rechs bietet beklemmende Bilder der Ambivalenz
bürgerlicher Extreme: im düster-drohenden Gemäuer mit scheinbar idyllischer
Ecke von Hermann Feuchter entwickeln sich die Antagonisten aus dem gleichen
Milieu. Die Motive ihres Handelns bleiben bewusst diffus, am Ende stehen
Leonore und Florestan auf Podesten, gefeiert vom distanziert feiernden
Bürgertum, allein Joaquino und Marzelline sind verstört. Höhepunkt der
Selbstreferenz gesellschaftlicher Konventionen: zur Premierenfeier gibt's
Wasser und Brot!
Die Neue Philharmonie Westfalen ist allerdings unter Johannes Wildner
eher an dem Schönklang eines "neuen Menschenbildes" orientiert als an
den Dissonanzen gesellschaftlich-individueller Dissonanzen.
Die selbstbewusst-unkonventionelle, dezidiert gesellschaftskritische Sicht
auf das sakrosankte Kulturgut "Fidelio" wird vom engagierten Gelsenkirchener
Premierenpublikum anhaltend und zum Teil leidenschaftlich bejubelt - vor
allem natürlich der fantastische Burkhard Fritz! (frs)
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