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Selbstpersiflage
Mittendrin statt nur dabei - frei nach diesem Motto hat das Kleine Haus
in Gelsenkirchen wieder einmal bewiesen, dass es sich hervorragend als
Volkstheaterbühne eignet. Gerade Jacques Offenbachs opéra-bouffe in drei
Akten, "die Banditen", schien zudem, wie Intendant Peter Theiler in seinem
Vorwort treffsicher feststellt, für diese Art der Aufführung wie geschaffen.
Auf der als Catwalk konstruierten Bühne stolzierten die Charaktere wie
Top-Models mitten hinein in das sie von allen Seiten umzingelnde Publikum.
Auch der Chor hatte im Zuschauerraum Platz genommen und gab sich - "kostümiert"
in normaler Abendgarderobe - erst im Verlauf der Aufführung als solcher
zu erkennen. Getreu der Metapher der Modenschau bilden die Darsteller
durchweg den einzigen Mittelpunkt des Stückes.
"Bühnenbilder" oder Requisiten wurden - sofern notwendig - fast ausschließlich
von einem Sprecher mechanisch aus dem Off verlesen, oder, um die Abstraktion
auf die Spitze zu treiben, von einer "Bühnenassistenz" (mit herrlich stoischer
Langeweile interpretiert von Inger Rudolph) erst im Verlauf des Stückes
herbei gebracht. Regisseur Immo Karaman unternimmt konsequent nicht einmal
den Versuch, ernsthafte Charaktere oder eine realitätsnahe Widerspiegelung
der Geschichte zu schaffen.
Durch diese Schwerpunktsetzung auf die ständige Selbstpersiflage des Stückes
entführt Karaman das Publikum auf eine atemberaubend-rasante Gratwanderung
zwischen Offenbachscher Komik und dem ständig lauernden Sturz ins Alberne.
Ein Kunststück, das dank der hervorragenden schauspielerischen Leistung
der Darsteller vollauf gelingt. Besonders Elise Kaufman als zwischen Wahnsinn
und Melancholie schwankende Räubertochter Fiorella versteht es, ihre Rolle
mit fast schon rührend komisch versuchter Ernsthaftigkeit auszufüllen.
So schien sich auch ein mitleidig-schmerzlicher Klang des Wiedererkennens
in das nicht enden wollende Gelächter des Publikums zu mischen, das die
eigene bemühte Selbstdarstellung zu reflektieren schien. Analog dazu vermischt
die Räuberbande um Falsacappa (gesanglich wie schauspielerisch beeindruckend:
Joachim G. Maaß) immer turbulenter Kostüm um Kostüm und Identität um Identität,
ohne dabei letztlich auch nur eine Rolle wirklich anzunehmen. Am Ende
bleibt ein wirrer Haufen aus Bettlerkutten, spanischen Röcken und zahlreichen
weiteren textilen Requisiten - die Räuber, entblößt bis auf die Unterwäsche,
verschwinden in der Anonymität des Publikums.
Neben unzähligen Gags und dem beschwingt und fröhlich aufspielenden Orchester
unter der Leitung von Cosima Sophia Osthoff macht die unter all dem Gelächter
dennoch konkret eingefangene Sozialkritik die Gelsenkirchener Inszenierung
der "Banditen" zu einem durch und durch sehenswerten Theater-Erlebnis.
Leichte Unsicherheiten im Gesang oder durch die Positionierung der Bühne
bedingte Einschränkungen der Akustik konnten den Operettengenuss dabei
nicht schmälern. (jan)
Karten unter (0209) 40 97 200 |
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