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Fakten zur Aufführung 

ELEKTRA
(Richard Strauss)
13. April 2007

Theater Freiburg

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Vom Wahnsinn beherrscht

In einer urban-funktionalen Wohnlandschaft wie in einem perfekt alles bietenden Ausstellungsraum eines exquisiten Möbel-Anbieters leben sie - die patchwork-family des Aegisth, die angestellten Dienstleister, die Ausgegrenzten und die Außenstehenden. Rifail Ajdarpasic und Ariane Isabell Unfried bauen eine Bühne wie aus dem Möbelkatalog, schaffen auf einer frappierend eingesetzten Drehbühne bedrückend wechselnde Kommunikationsräume.

Calixto Bieito lässt darin eine zerstrittene Ansammlung existentiell ruinierter Wesen hysterisch agieren - existentielle Zerstörungen beherrschen ihr irrationales Handeln und am Ende bleibt nichts als blankes Entsetzen.

Lisa Livingstone ist eine vom ermordeten Vater Agamemnon hysterisch rache-getriebene Elektra, stimmlich permanent auf (kontrollierten) Hochtouren, darstellerisch den absoluten Furor hingebungsvoll verkörpernd. Sigrun Schell vermag der gedemütigten Chrysotemis leidenschaftliche Sehnsucht nach einem „normalen“ Leben zu verleihen mit dramatischen stimmlichen Mitteln. Ortrun Wenkeln gibt eine total kaputte und hilflose Klytämnestra; Neal Schwantes beeindruckt mit tief grundiertem Bariton als ausweglos geplanter Muttermörder Orest; Patrick Jones gibt einen schrill-selbstbewussten Mörder Aegisth mit exzellentem hellen Tenor; und die Mägde und Diener spielen ihre Rollen in den pseudo-urbanen neuen Lebensformen mit hinreißender Emotionalität und vermitteln mit superben – und verständlichen – Stimmen die Katastrophe des Scheiterns zerbrechender menschlicher Beziehungen.

Patrik Ringborg führt das Philhamonische Orchester Freiburg zu voluminös-brutalem Klang, betont dabei die enorme Dynamik der Strauss-Vorgabe und schafft akustische Räume für scheinbare Ruhephasen in ihrer tödlichen Ambivalenz.

Das Freiburger Publikum wirkt durch das hundertminütige Angebot an Bildern und Tönen hoffnungsloser Deformation wie verstört. Nach tiefem Atemholen macht sich im großen Haus jedoch tosender Applaus Luft für die (selbst)quälende Erfahrung des Scheiterns von vorgeblich „offenen“ Lebensformen mit ihren unbegriffenen Aggressionen.

Auch im verzweifelten Kampf des Theaters Freiburg um die schiere Existenz gegen eine kulturferne schwarz-grüne Stadtobrigkeit darf aber nicht vergessen werden zu erwähnen, dass auch viele Opernbesucher den nötigen Respekt vor den großartigen Leistungen ihres Ensembles vermissen lassen – empörte Kommentare und demonstrative Applaus-Verweigerung sind beredte Indikatoren. (frs)