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Fakten zur Aufführung 

DIE TOTE STADT
(Erich Wolfgang Korngold)
22. November 2009 (Premiere)

Oper Frankfurt


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Der Mann mit der Macke

Sigmund Freud ist en vogue, und der Symbolismus feiert Triumphe. Schein und Wirklichkeit, Traum und seine Deutung, Leben und Seinsüberdruss geben sich die Klinke in die Hand. Der Flame Georges Rodenbach schreibt seinen Roman „Das tote Brügge“ und der junge Komponist Erich Wolfgang Korngold, soeben dem Wunderkind-Alter entwachsen, fertigt nach dieser Vorlage seine erste abendfüllende Oper Die tote Stadt. Sie wird ab 1920 ein Riesenerfolg und gerät zwangsweise in Vergessenheit, während der vor den Nazis geflohene Komponist in Hollywood mit Filmmusiken sein Geld verdient.

Die tote Stadt hat sich ab 1950 von diesem Tiefschlag erholt und taucht immer wieder im Repertoire auf. Denn die Thematik bleibt unverändert bedeutsam. Ein Mann (Paul) trauert um die Verstorbene namens Marie, kapselt sich ein in seinen Marie-Devotionalienschrein und erlebt das scheinbare Auferstehungs-Wunder über die Tänzerin Marietta, weil er in ihr die Einzige, die Verlorene sieht. Sehen will. Aber im wahren Leben sind die Toten tot, nicht einmal Jesus konnte daran etwas ändern. Und in Frankfurt stehen sie in der Inszenierung von Anselm Weber auf der Bühne, um jenes Irreale zu imaginieren, das ohnedies dem Theatergeschehen eignet. Vielleicht wird deshalb das Psychedelische und Irrlichternde etwas zu deutlich, zu blickhaft vorgeführt? Die üblichen Signalfarben, das Changieren zwischen den Bewusstseinsebenen und die genau kontrastierende Figurenzeichnung sind Werte an sich, obwohl auch das Element der Verrätselung in dieser Oper seinen Platz finden könnte.

Die Bühne (Katja Haß) ist klar gegliedert. Der mehrstöckige, in patinierter, dunkler Bronze gehaltene Hintergrund lässt über rechteckige Öffnungen Trugbilder erscheinen. Links beherbergt ein heller Kubus mit Lamellen-Schiebetüren Maries Sterbezimmer, das Paul einerseits ängstigt, andererseits am wahnhaften Leben erhält. Den stellt Klaus Florian Vogt als Mann mit der Macke dar und singt ihn mit lyrischer Grundierung sowie stolzer stimmlicher Prägung, ein bisschen mit seinem berühmten „Stolzing“-Timbre. Eine prägnante, zuwendende Partiegestaltung, die auf große Resonanz stößt. Die Kostüme von Bettina Walter vereinen stilistisch geschmackvolle Schlichtheit, wenn die Figuren „wirklich“ erscheinen, und schrillem Überschwang im zweiten Bild, wo Marietta mit ihrer Gauklertruppe ein mehrschichtiges Verwirrspiel anzettelt. „Marietta“ findet in Tatiana Pavlovskaya eine glänzende Gestalterin, die vor allem in den ruhigen, ariosen Teilen einen ebenso geschmeidigen wie anrührend schönen Sopran einsetzt. Pauls Freund, aber auch Widerpart wird von Michael Nagy mit selbstbewusstem Bariton präsentiert, und Hedwig Fassbender singt mit differenziert geführtem Mezzo die Haushälterin Brigitta.

Ausgezeichnet agiert das Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter seinem Generalmusikdirektor Sebastian Weigle. Der lässt schillernde Farben aus der Partitur aufblühen und aufblitzen, setzt mit plastischer Sängerführung die Protagonisten in Szene und steuert durch überlegene musikalische Dramatisierung die Oper durch alle Untiefen, die aus der spätexpressionistischen Textur erwachsen könnten. Chor und Kinderchor sowie die Ensemblemitglieder in kleineren Partien agieren auf beeindruckendem Niveau.

Das Premierenpublikum war überwiegend begeistert.

Eckhard Britsch

 








 
Fotos: Barbara Aumüller