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EFFEKTE PUR
Auch bei Aribert Reimanns Opern-Adaption
des archetypischen Menschheitsdramas Shakespeares geschieht in der Aalto-Oper
das, was Essen zum highlight für Opern-Novizen macht: es sind dramaturgische
und musikalische Lösungen im Sinne attraktiven Musik-Marketings.
Michael Schulz reduziert den Lear auf die Sehnsucht nach der unschuldigen
Kindheit, scheitert am komplexen Charakter der Vorlage und verbleibt mit
seinen Intentionen im Belanglosen - ebenso wie die Dekorationen Johannes
Leiackers.
Stefan Soltesz erzielt mit einem hochmotivierten Orchester spektakulären
Klang - allein: es ist nicht die Auseinandersetzung mit Sujet und Musik,
es ist der fanatische Wille zum Effekt, der vom Publikum unreflektiert
mit tosendem Applaus bedacht wird; auch Aribert Reimann applaudiert.
Aus einem vibrierenden Ensemble ragen heraus Tomas Möwes als faszinierender
Lear, stimmlich und schauspielerisch; Michaela Kunne als ambivalente "gute"
Tochter Cordelia, leidend und sensibel; vor allem David Cordier als Edgar
bzw. Armer Tom mit einem herzzerreißendem Lamento.
In Sam Peckinpahs epochemachenden Film The Wild Bunch heißt es: Wir träumen
alle davon ein Kind zu sein - die Schlimmsten vielleicht am meisten. Diesem
post-Western-Mythos entspringen offensichtlich die kindlichen Super 8-Filme
zu Anfang und am Ende der Aalto-Performance: elementare Ansprache ohne
analytischen Kraftaufwand.
Das auf Jubel prädisponierte Essener Publikum fand das alles jovel ("auch
die Musik nervt mich nicht") und feierte wie üblich seine eigene Begeisterung:
Staatstheaterattitüde. (frs)
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