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Psychoanalytisch
Eines ist nach der Essener "Helena" klar: die verkannte Oper ist spielbar!
Strauss greift in die Repertoires seiner Kompositionsroutine, kompiliert
hoch effektvoll, bietet lustvoll-konstellierte orchestrale Konvulsionen,
schwelgt in Sentimentalitäten, fordert sängerische Brillanz, bietet permanent
Höranreize höchster Intensität. Stefan Soltesz greift alle diese Angebote
energisch auf, lässt den unendlichen Klang leuchten!
Gottfried Pilz verzichtet auf ein akribisches Nachzeichnen der griechischen
Mythologie in den Verzweigungen nach Troja, sondern setzt auf die psychisch
zu klärende Situation der nicht aufgearbeiteten Konflikte zwischen Helena
und Menelas mit der Zauberin Aithra als handelnde Analytikerin. Das spielt
in martialischen Sitzgarnituren, vor einem monumentalen Psychotunnel,
in faszinierenden Meereswellen geblähter Stoffbahnen - und das alles im
ästhetisch beherrschenden Aalto-Blau. Nachdenklich stimmend - wie immer
bei Gottfried Pilz - aber auch voll zarter Ironie und mit einem zurückhaltenden
Humor, der dem Hoffmannsthalschen sensibel nachspürt.
Das gesamt-integrierte Konzept von Musik und Szene finde in einem faszinierenden
Ensemble seine Krönung: Luana de Vol gibt eine Helena voller Grandezza,
optisch eine Kim Novak, stimmlich über den Orchesterwolken schwebend;
Hendrik Vonk gibt einen verqueren Kriegshelden Menelas, singt am äußersten
Level, hält alle Strapazen durch; die Sensation: Helen Donath! Die grande
dame wirbelt als chancenverteilende Zauberin durch die Szene, lässt eine
betörend-vielfältige Stimme zum unvergessbaren Erlebnis werden. Dazu ein
stupender Bass von Almas Svilpa, ein strömender Tenor von Peter Bording
und eine geheimnisvoll phrasierende Elisabeth Hornung - und ein flexibler
Chor!
Das Essener Premierenpublikum reagiert enthusiasmiert, hingezogen von
Musik und Bühne, befreit von akademischer Mythendeutung, berührt durch
nachvollziehbare zwischenmenschliche Konstellationen. Ein epochemachender
Abend in Essen. (frs) |
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