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MINNIES TRIUMPH
Violá: Una Diva! Mit intensiver Darstellung,
stupender Ausstrahlung und rasanter Stimme erfüllt Francesca Patané alle
hochgespannten Erwartungen, die an eine italienische Operndiva gestellt
werden können. Wolfgang Brendel kann ihr mit enormer Stimmenpower Paroli
bieten, während Mikhail Davidoff vor soviel vokaler Urgewalt eher zaghaft
wirkt; doch finden sich mit den unverwüstlichen Marcel Rosca und Karoly
Szilagyi gleichwertige Partner im Ensemble. Dass die Charaktere eindimensional
geraten, liegt am Plot - es geht eben ums schlichte amerikanische "Lebensbewältigen"
mittels Saufen, Kartenspielen, Weiber aufreißen und Räuber lynchen.
Die Regie von Guy Joosten kann sich nicht entscheiden, ob es um eine Western-Opera,
einen musikalischen Italo-Western, eine sizilianische Milieustudie (in
den Westen verlegt) oder um ein Sittenbild vergangener Zeiten geht (das
Bühnenportal als goldener Gemälderahmen spricht für letzteres) - entwickelt
Stärken in den dramatischen Bewegungen des Chors, obwohl auch hier nicht
klar ist, ob permanentes Bewegungstheater gewollt ist oder der suspense-erzeugende
Wechsel von Hektik und Statik.
Johannes Leiacker baut nicht zum ersten Mal eine Bühne im Aalto und kennt
die Probleme der ungeheuren Größendimensionen. Das monströse Tunnelloch
des dritten Akts wirkt faszinierend, der Kneipe fehlt die Intimität, Minnies
Hütte beeindruckt durch die optischen Verweise auf die Unendlichkeit außerhalb
der Enge - auf alle Fälle finden sich opulente Präsentationsräume für
hochattraktives Startheater! Die Kostüme von Klaus Bruns lassen Leones
Italo-Western assoziieren, reduzieren die Szene aber schlussendlich auf
Goldgräber-Folklore.
Puccinis facettenreiche Komposition wird von Stefan Soltesz mit den Essener
Philharmonikern und ihren Solisten (!) "stimmungsvoll"-sensibel interpretiert:
folkloristisch, klassisch-puccinesk, Anleihen an Dvoraks "Neue Welt" -
spannungsvoll, lyrisch, dramatisch zupackend.
Doch bei aller Kunstkompetenz und dem zelebrierenden Ablauf mit zwei Pausen
- das Dilemma bleibt: Libretto und Partitur fehlt das zwingende tragische
Moment!
Der übliche Essener Premierenjubel weiß allerdings zu unterscheiden zwischen
Bewunderung für eine Super-Patané, einen souveränen Soltesz, ein brillantes
Sängerensemble und eine indifferent effektvolle Regie. Auch die Pausengespräche
belegen es: in Essen entsteht eine "Staatsopern-Kultur" à la Zürich, Wien
oder Berlin. Aber braucht die dichteste Opern-Region Europas nicht ein
solches Haus?! (frs)
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