Zwanzig Jahre alt – immer aktuell
ABBA, die Kultgruppe der 70-er gibt es seit 25 Jahren schon nicht mehr. Und doch ist das schwedische Quartett wieder topaktuell – erst im Kino, jetzt auch auf der Opernbühne.
„Chess“ heißt das Musical, das Benny Andersson, Björn Ulvaeus und Tim Rice (!) 1986 in London herausgebracht haben. Ein Kassenschlager, der dort drei Jahre lang pausenlos gespielt wurde. Das könnte dem Essener Aalto-Theater jetzt womöglich ähnlich gehen. „Chess“, die Geschichte rund um die hoch politischen Schachweltmeisterschaften in den Jahren 1980/81, kommt in absolut höchster Qualität auf die Bühne. Das wird sich herumsprechen und dauerhaft für ein volles Haus sorgen.
Verantwortlich ist das Essener Trio mit Dauererfolg in Sachen Musical: James de Groot und Paul Kribbe führen Regie, Heribert Feckler organisiert das Geschehen im Orchestergraben. Wie heißt es so schön: „Never change the winning team!“
Und dieses Team zeigt eine Welt, die geprägt ist vom Kalten Krieg. Auch im beschaulich-verschlafenen Meran, wo das Duell der Schachgiganten ausgetragen wird. Kühl wie am Brett des königlichen Spiels werden da Intrigen geplant, Hasstiraden verbreitet. Auch ums große Geld geht es natürlich. Das kommt einem doch auch heutzutage irgendwie sehr bekannt vor...
Aber was wäre eine solche Geschichte ohne Liebesaffäre: so ist der russische Schachweltmeister hin- und hergerissen zwischen seiner Frau und der Freundin seines amerikanischen Vorgängers. Am Ende siegt die Liebe zum Schach und zur sowjetischen Heimat.
Ein Stück voller Schwung, voller politischer Anspielungen - und mit einer wohldosierten Portion Kitsch. Ein perfekter Mix aus Videoeinspielungen, abwechslungsreicher Choreographie vom Südtiroler Schuhplattler bis zum Disco-Tanz der achtziger Jahre und stillen Momenten zum leise verklingenden Schluss. Toll die Bühne, die beständig die Felder eines Schachbretts zitiert. Drei von ihnen ragen über den Orchestergraben, sind individuell beleuchtet und dienen – im wahrsten Sinne des Wortes - als Standpunkte der Figuren.
Ein besonderes Glück, wenn dann bei einer solchen Regiearbeit erstklassige Musical-Darsteller zur Verfügung stehen wie Romeo Salazar als Schiedsrichter und die im Aalto bestens bekannten Solisten Henrik Wager und Serkan Kaya als toll singende und spielende west-östliche Konkurrenten. Auch Claudia Hauf als Svetlana zeigte Musical-Kunst allererster Güte. Ein neues Gesicht in Essen sorgte aber für den größten Jubel: Femke Soetenga als Florence, die zwischen Ost und West beinahe zerrissen wird, bekam stürmischsten Applaus. Auch die übrigen Solisten aus dem hauseigenen Aalto-Opernensemble - Marie-Helene Joël, Günter Kiefer und Michael Haag – machten eine durchweg gute Figur.
Umjubelt wurden nicht zuletzt auch das gut aufgelegte „United Rock Orchestra“, die Ballett-Abteilung des Theaters, die sichtlich Spaß an der Sache hatte, schließlich auch die Mitglieder des Opernchors, die in schwarz und weiß als überdimensionale Schachfiguren daher kamen.
Christoph Schulte im Walde
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