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Fakten zur Aufführung 

CARMEN
(Georges Bizet)
30. Dezember 2009
(Premiere: 30. März 1998)

Aalto-Theater Essen

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Opfer des Repertoire-Betriebs

Das kalte Wetter am 30. Dezember brachte die Vorahnung auf eine Indisposition mit sich und tatsächlich lies sich Bea Robein als Carmen mit Halsentzündung ansagen. Und dennoch gelang ihr in einer mittelmäßigen Repertoire-Vorstellung eine musikalisch außerordentlich gute Carmen. Mit großer Konzentration auf ihre stimmlichen Mittel und mit viel Beachtung durch den Dirigenten Noam Zur, der umsichtig selbst die noch möglichen Fermaten der Sängerin einschränkte, gelang es ihr, ihre hörbar durchhängende Stimme zu bändigen. Dass so eine Erkältung durchaus ein rauchiges Timbre mitbringt, hatte für eine Carmen auch Vorteile. Darstellerisch mag diese Carmen nicht ihre Bestleistung gewesen sein, aber sich in dieser Verfassung noch selbst mit den Kastagnetten zu begleiten, war schon bewundernswert.

Ansonsten konnte man szenische Blässe durchaus dem Repertoire-Betrieb zuschreiben. Seit 1998 spielt Dietrich Hilsdorfs Inszenierung im spanischen Restaurant in Gelsenkirchen. Doch weder spanisches Flair noch Ruhrpott-Charme wollte sich so recht entfalten, sah man mal davon ab, dass sich Statisten und Chor sehr engagiert bewegten – letztere natürlich auch sangen. Was mal war und was möglich gewesen wäre, zeigten ein paar überzeugende Szenen: Etwa die „Chorprobe“ zu Beginn des 3. Aktes, um die Polizisten zu täuschen, die das Restaurant nach den Schmugglern durchsuchen. Oder das große Finale, wo sich (fast) das ganze Ensemble in Zeitlupe zum Liebesduett von Carmen und Escamillo bewegte und die ganze Kneipen-Gesellschaft Jose zum Todesstoß anheizte.

Der Rest der Geschichte spielte sich belanglos um die Tische herum ab, ohne besondere Akzente zu setzen. Hilsdorf-Kenner wissen, dass bei ihm normalerweise eine Begegnung von Carmen und Jose nicht so belanglos ablaufen würde. Da sah man der Produktion ihr Alter an und man fragte sich, ob die für einen so guten Theater-Betrieb wie Essen noch angemessen ist. Eine Neuinszenierung wäre ein guter Vorsatz für die nächste Saison.

Musikalisch gab es neben Bea Robein viel Durchschnittliches. Großes Lob musste man wie üblich dem Orchester zollen, das vielleicht nicht so feurig wie möglich aber doch sehr brillant und schlank aufspielte. Noam Zur setzte markante Akzente, verzichtete aber dankenswerter Weise zugunsten schöner, duftender Lyrismen auf Hau-Drauf-Attacken. Dennoch hätte er beizeiten die Tempi noch mehr anziehen können. Unnötigerweise kam ausgerechnet die herrlich abgerundet singende Inna Los immer wieder ins Schleudern und klebte daher mit ihren Augen mehr auf dem Dirigenten als auf Jose. Der hatte mit Thomas Piffka einen würdigen, aber längst nicht immer überzeugenden, geschweige denn berührenden Vertreter, der auch szenisch recht gestaltlos blieb.

Enttäuschend der sonst so geniale Almas Svilpa, der mit gebelltem Französisch und gestemmten Tönen seine schöne Stimme und die Partie verunstaltete. Besonders erwähnenswert aus den Comprimarii: Anett Fritsch als Frasquita, die sich mit glockenheller Stimme in den Ensembles klug und angenehm zur Geltung brachte, sowie Albrecht Kludszuweit und Rainer Maria Röhr als Schmuggler Dancairo und Remendado.

Das Publikum, inklusive schwatzender Balkonbesucher und Schlüssel-klimperndem Wachmann, nahm Carmens (etwas umständlichen) Bühnentod recht unberührt hin, klatschte sofort energisch für die Leistung von Bea Robein und verabschiedete sich dann recht schnell aus dem Theater. So ganz glücklich schien mit dieser Vorstellung keiner gewesen zu sein.

Christoph Broermann


Fotos: © Thilo Beu