Redundanzen
Roland Schimmelpfennigs Schauspiel über die sexuell bestimmten Irritationen im multikulturellen Plattenbau ist Basis für das Musiktheater von Christian Jost. So wie die Schimmelpfennig-Szenen davon leben, dass die Akteure artikulieren, was sie gerade empfinden und tun – so schildert die Musik Christian Josts das sich steigernde Bühnengeschehen mit seinen alltagstypischen Irritationen.
Doch anders als der eher dumpfen Schimmelpfennig-Vorlage gelingen Jost musikalische Aussagen mit differenzierten Perkussion-Variationen und kommentierenden Streicher-Klängen, aktuelle Tendenzen aufgreifend, an Minimalisierung erinnernd, typisierendes instrumentales Gestalten inbegriffen. Das alles ist weit entfernt von epigonaler Verbindung, von devoter Vorlagen-Umsetzung - vermittelt vielmehr ungemein nachvollziehbar emotionale Empfindungen und macht die Handlung zum musikalisch nachvollziehbaren Drama.
Stefan Soltesz interpretiert mit den Mitgliedern der Essener Philharmoniker eine avanciert-begleitende Komposition, die vom Charme interkultureller Begegnung lebt, aber auf die gebrochenen Traditionen „westlicher“ Musik verweist - perfekt demonstriert, Grant für ein bemerkenswertes Ereignis.
Jörg Kiefel stellt einen variablen Plattenbau auf die Bühne, mit wechselnden Räumen, multifunktionalen Treppenaufgängen und einem auf- und absteigenden Fahrstuhl.
Anselm Weber lässt die Protagonisten lasziv agieren, lässt sie sich treppauf-treppab bewegen, versetzt sie in diverse Stadien sexueller Annäherungen - verzichtet aber bei allem Hin und Her auf die konsequente Frage nach dem grundlegenden Prinzip: Platt formuliert: Wat solls?
Tomas Möwes gibt den Hausmeister Lomeier mit stupender Präsentation, Bea Robein und Alexandra Lubchansky vermitteln erotisch suchende und konkurrierende Fatima und Franziska darstellerisch präsent und stimmlich kompetent – so wie Andreas Hermann als Kalil und Albrecht Kludszuweit als Peter Karpati sowie Cathrin Lange als Katja und Franziska Hösli und Stefanie Rodriguez in wechselnden Rollen - alle engagiert in der Aktion, kompetent in der Phrasierung vorgegebener Konzeptionen.
Die Jost-Klänge, intensiv-perfekt umgesetzt durch die Essener Philharmoniker unter dem charismatischen Stefan Soltesz überzeugen die motivierten Besucher der öffentlichen Probe - die redundante Story allerdings stößt auf sympathisierendes Unverständnis - da wurde schon mehr an „Deutung“ erwartet! (frs) |