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Fakten zur Aufführung 

DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG
Richard Wagner
17. Juli 2009
(Premiere 11. Juli 2009)

Passionsspielhaus Erl
Tiroler Festspiele Erl


Points of Honor                      

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Filou - Sachs

Gustav Kuhns Philosophie der reduzierten Regie feiert Triumphe: Im schnörkellos-kahlen Festspielhaus zu Erl werden die Meistersinger zur holzschnittartigen Komödie, die Figuren sind eindeutig festgelegt, gewinnen ihre Statur nicht aus doppelt interpretierter Pseudo-Psychologie, bedürfen keiner bemühten „Aktualisierung“ – stehen für sich in ihrer je eigenen Identität mit ihren holprigen Beziehungen. Über „Werktreue“ zu reflektieren, bleibt obsolet – stattdessen obsiegt der Spaß an den Figuren, und die Freude an der Beobachtung ihrer verständnisvoll skizzierten Reaktionen – ohne Häme und ohne konventionelle Klischees, vielmehr Menschen, so wie sie nun mal sind in ihren Attitüden - und in ihrer Skepsis. Pointe: Sachs hält sich nach seiner filouhaften Agitation zur Verherrlichung der „deutschen Meister“ die Augen und Ohren zu, relativiert die Apotheose.

Musikalisch leitet Gustav Kuhn das Orchester der Tiroler Festspiele zu einem voluminös-differenzierten Gesamtklang, bestimmt durch die Betonung der Instrumentengruppen, Zwischentöne diffizil herausarbeitend, agierende Charaktere subtil bestimmend – dabei immer bestehend auf das Lustvolle des Musizierens, ohne Karikaturen in der Prügelszene, ohne „Schmalz“ in den Stolzing-Partien, mit viel musikalischem Verständnis für die Beckmesser-Bemühungen. Wagners Musik wird reflektiert ernst genommen, wird zum Kosmos nicht-aggressiv leuchtender Töne!

Jaafar Chalabi positioniert das Orchester geradezu alpin aufgebaut im Hintergrund der Bühne, schafft davor eine schräge Spielfläche, mit suggestiver Licht-Hilfe nachgerade intime Räume in der übergroßen Dimension. Als Requisiten dienen genial einfache Sitz-Module, die in immer wechselnden Konstellationen assoziative Reize vermitteln - fragt sich, ob diese Konstrukte nicht zur ernsthaften Ikea-Konkurrenz werden.

Gesungen wird der gesamten Konzeption entsprechend begeisternd „unakademisch“: Oskar Hillebrandt verkörpert einen pfiffigen Sachs, unterstreicht diesen selbstreflektierenden Filou-Charakter mit distanziert-interpretierendem Gesang, beeindruckt mit differenzierter Ausdrucksmöglichkeit, vermag sogar (Selbst-)Ironie mit stimmlichen Mitteln zu artikulieren, beherrscht die Möglichkeiten seines agilen Baritons par excellence. Michael Baba ist ein nahezu triumphierend aufspielender Stolzing, fasziniert mit einem fundamentalen Volumen und expressiver Intensität – vermag die soziale Ambivalenz des ins Bürgertum gestürzten Ritters mit konkreter Stimmgebung zu interpretieren. Maria Gessler ist eine variantenreiche Eva mit agilem Sopran und bemerkenswertem Timbre. Franz Hawlata demonstriert sein kraftvolles Organ als standesbewusster Pogner, Carsten Wittmoser gelingt ein darstellerisch-sängerisches Schmankerl als Nachtwächter. In Kooperation mit der Kuhn-geleiteten Accademia de Montegral präsentieren exzellente Solisten lustvolle Spielfreude und rollengerechten Gesang in begeisternder Kompetenz – und die Chorakademie der Tiroler Festspiele verbreitet eine animierende Atmosphäre intensiven kollektiven Gesangs.

In Erl versammelt sich ein hoch heterogenes Publikum – von den Adabeis aus Wien über die kenntnisreichen Wagner-Freunde bis zu gelegentlichen Festival-Touristen und den einheimisch-stolzen „Zaungästen“ - die begeisterte Zustimmung zum Gesehenen, Gehörten und Erlebten ist jedoch ungeteilt. So wird „Oper“ zur „volkstümlichen Kunst“!
Franz R. Stuke

 





 
Fotos:© Tiroler Festspiele Erl/
Rupert Larl