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Fakten zur Aufführung 

LA TRAVIATA
(Giuseppe Verdi)
13. Dezember 2007
(Premiere: 2. Juni 2007)

Theater Erfurt


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Weibliche Emotionen

Es sind archaisch-unbegriffene weibliche Emotionen, die Yona Kims Erfurter Traviata bestimmen; sie vertraut dabei auf die elementare Kraft der Musik Verdis – und sie orientiert sich dabei an reflektierten künstlerischen Umsetzungen spirituellen Martyriums, die sie u. a. in Lars von Triers Filmen findet. So erinnert ihre Inszenierung eben nicht (nur) an die Tradition unendlicher Traviata-Deutungen als die sentimentale Geschichte einer reuigen Lebewelt-Dame, sondern fokussiert auf ein nicht-rationales spirituelles Martyrium im sozialen Zusammenhang. Und das gelingt mit der symbolischen Aufladung eigentlich konventioneller Szenen und intensiver Personenführung.

Folie für die existenziellen Schmerzen der Violetta sind die rotundenförmige Bühnenkonstruktion von David Hohmann und die farblich konnotierten Kostüme von Nadine Grellinger. Es erscheint eine pseudo-öffentliche hermetische Welt als Zwangssystem für die elementaren Gefühle der Violetta. Und es entsteht eben mehr als eine rational nachvollziehbare „feministische“ Deutung – und genau das ist es, was Oper als „Kraftwerk der Gefühle“ ausmacht.

Garantin für das emotionalisierende Gelingen der diffizilen Konzeption ist Marina Rebeka, die junge Baltin mit ihrem Rollen- und Deutschland-Debut, bewunderte Erste Preisträgerin des weltweit wichtigsten Wettbewerbs „New Voices“ im Oktober (vgl. Opernnetz-News). Und was die junge Sängerin stimmlich vermittelt, ist atemraubend: eine schwebend strömende Mittellage, Piani mit ergreifender Einfühlsamkeit, dramatische Höhen ohne jegliche Schärfe, aber mit authentischem Ausdruck. Darstellerisch identifiziert sich die Rebeka mit der Passions-Rolle und wirkt permanent glaubhaft in ihren Gefühls-Emanationen. Bleibt zu hoffen, dass sie ihre fantastischen Möglichkeiten seriös weiterentwickeln kann, ohne im brutalen Show-Business kommerziell instrumentalisiert zu werden! Richard Carlucci ist ein Alfredo mit durchaus begeisternd voluminösem Tenor und bewegender Italianità – doch fehlt ihm die anstrengungslose Leichtigkeit. Petteri Falck ist der bürgerlich-normengebunde Vater Giorgio Germont, typengerecht agierend, doch ohne baritonalen Glanz.

Alice Roth als Flora, Vazgen Ghazaryan als Dottore Grenvil und Máté Sólyom-Nagy sowie die engagierten Ensemble-Mitglieder und der stimmkräftig-spielfreudige Chor vervollständigen den beglückenden Eindruck einer hochklassigen Aufführung.

Kooperierend mit der Thüringen Philharmonie Gotha-Suhl präsentiert sich das Philharmonische Orchester Erfurt in adäquater musikalischer Sensibilität. Walter E. Gugerbauer dirigiert höchst umsichtig, betont die Instrumenten-Begleitung – ansatzloses Spiel der gefürchteten Humptata-Passagen Verdis sollte allerdings zur bleibenden Aufgabe werden.

Die emotional bewegende und intellektuell hoch reflektierte Traviata wurde vom Erfurter Publikum zum Top-Ereignis der letzten Spielzeit gewählt. Auch am Abend ist das kollektive Mit-Erleben intensiv spürbar – aber, leiderleiderleider, die Möglichkeiten opern-angemessener Begeisterung sind in Erfurt (noch) unterentwickelt. Dabei ist es doch so einfach, mit einem „Bravo“ die eigene befreiende Spannung loszuwerden oder mit schlichtem Aufstehen die exzeptionellen Leistungen der Akteure zu respektieren. (frs)