|
Kunst und Dogmen
Der Atem großer Opernabende durchweht das stilvoll restaurierte
125 Jahre alte Eisenacher Theater, wenn die großartige Maida Hundelimg
die "heilige Halle" besingt: strahlende Höhen, betörende
Mittellage, verhalten-leidenschaftliche Ausstrahlung! Drummond Walkers
fiebriger Tannhäuser wirkt dagegen mit einem Tenor ohne Aplomb stimmlich
blass. Dagegen vermittelt Hans Gröning mit phrasierungssicherem Bariton
einen ambivalenten Wolfram. Der Landgraf Michael Brieskes bleibt steif,
die "Sänger" überzeugen allesamt durch pointiert wortverständlichen
Vortrag; Monika Dehlers Venus verzichtet auf den sexy thrill; Nicole Enßle
gibt einen klangschönen Hirten.
Das proppevolle Haus dieser seit Jahren auf dem Spielplan stehenden Produktion
ist Ausdruck intensiver Identifikation der Eisenacher mit ihrem strukturgepeinigten
Haus - phantastische Ruhe während der Aufführung, sachkundige
Pausengespräche, standing ovations am Ende langanhaltenden Beifalls.
So will man Oper immer erleben!
Dieter Reuschers Regieidee erschließt sich mit dem Schluss. Nach
eher konventionellen vier Stunden reicht der junge Hirt dem verzweifelten
Wolfram über dem toten Tannhäuser seine Harfe: die Kunst wird
die erstarrten Dogmen nachhaltig überwinden.
Peter Heilein stellt variable Strukturelemente auf die Bühne, projeziert
assoziative Wolkenbilder auf die Rückwand, schafft mit dem Proszenium
eine weiträumige Spielfläche auf der kleinen BÜhne (auf
der die Protagonisten leider nur zu oft uninspiriert herumstehen); Christian
Floerens schafft mit stilisierten mittelalterlichen Kostümen das
zeitlose Flair für den immerwehrenden Konflikt zwischen aufrüttelnder
Avantgarde und beharrenden Normen.
Gespielt wird der 1. Akt in der Pariser Fassung; doch bleibt das Bacchanal
tänzerisch - trotz attraktiver Tänzerinnen in hautengen Trikots
- eigentümlich unerotisch, und auch die Landeskapelle Eisenach will
unter Wolfgang Wappler die hemmungslose Leidenschaft nicht recht gelingen;
das passiert erst im arpeggienreichen Vorspiel zum 3. Akt. Bis dahin ist
vor allem ein "edler" Klang zu bestaunen, der vor allem die
romantischen Melismen genussvoll auskostet.
Der genius loci direkt unterhalb der Wartburg in der Bachstadt Eisenach
garantiert ein stimmungsvolles Opern-Erlebnis. (frs)
Karten unter (03691) 256-219 |
|