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HOMMAGE
Ob simultaner Opernführer, musikalisches
ready-made, künstlerische Grenzüberschreitung, Selbstreferenz der Oper,
SängerInnen-Tortur, multimediales Musiktheater oder musikalische Krisen-Kommunikation:
John Cages Europeras 3+4 mit dem konkurrierenden, alternativen, supplementierenden
und integrierenden Show down von Schellack-Klängen, Klavier-Impressionen,
Lichteffekten und solistischem Gesang geraten zu einer Hommage an 400
Jahre Oper und die durch keine technischen Manipulationen besiegbare Faszination
des Opern-Gesangs.
Auf der Bühne des Theaters agieren sechs junge Sängerinnen Cordula Berner,
Tobias Hieronimi, Byoung-Ho June, Christa Ratzenböck, Joan Ribalta, Viola
Zimmermann), zwei Pianisten und fünf Bediener von "Phonographen". Die
Last der Performance liegt bei den Sängern: gegen die Platten-Klänge und
rudimentären Liszt-Fragmente vom Piano singen sie ihre Arien a capella
- auch gegeneinander! Das hat bisweilen den Charakter wüster Katerphonie,
bisweilen provoziert es die Situation eines Quiz á la: Welche Melodie
wird gespielt? Das Sängerensemble steht diesen Härtetest makellos durch,
vermittelt vor allem im zweiten Teil die "Fülle des Wohlklangs", obsiegt
über die technischen Manipulationen - doch am Ende ist Giglis "Faust-Arie"
zu hören: aus dem archaischen Gerausche der Uralt-Technik bleiben die
menschlichen Töne als emotional bewegender Kern.
Hermann Schneider hat als Inszenator mit wenigen Mitteln optimalen Effekt
erzielt! Das Publikum - ebenfalls auf der Bühne plaziert - hält die akustische
Malträtierung durch, begreift den kontroversen Prozess und applaudiert
schließlich allen Beteiligten lang und herzlich. (frs)
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