Gefühle, zeitlos
Keine platte „Aktualisierung“, keine „Dekonstruktion“, aber auch keine Haupt- und Staatsaktion: Christof Nel inszeniert mit Mozarts „Titus“ zeitlose Gefühlswelten. Die üblichen Rollenklischees werden überwunden, die dramatis personae in ihren differenzierten Gefühlswelten ernst genommen: Verwirrungen bestimmen Liebe, Wut, Betrug, Verzweiflung, Selbsttäuschung und Entsetzen, als zutiefst menschliche Herausforderungen. Äußerlich unspektakulär, ganz auf die kommunizierten inneren Prozesse konzentriert ist ein beeindruckender Kosmos tief empfundener Emotionen zu erleben.
Ein weißer Raum mit Innen und Außen, raffiniert konstruiert in schlichter Genialität von Roland Aeschlimann (sicherlich eine seiner konsequentesten Bühnenkreationen!) schafft die Räume für das intensive (Kammer-)Spiel.
Annette Seiltgen begeistert als anrührend-zweifelnder Sextus, stimmlich weich und doch voll Leidenschaft. Corby Welch singt den Titus mit gefühlvoll-konzentriertem ruhig geführtem Tenor als empathischen Kaiser. Die Vitellia gibt Nataliya Kovalova Gelegenheiten zur intensiven Interpretation mittels exzellenten Sopran-Gesangs. Anke Krabbe vermittelt mit ihren superben stimmlichen Möglichkeiten eine verunsicherte Servilia und Katarzyna Kuncio phrasiert den jugendlichen Annius mit bewegender Hingabe. Das Ensemble der Oper am Rhein lässt anrührenden Mozart-Gesang hören.
Andreas Stoehr geht mit den Düsseldorfer Symphonikern die Ouvertüre ziemlich ruppig an – vor allem das Schlagwerk drängt sich stark in den akustischen Vordergrund. Im Verlauf der Aufführung bleibt der angenehme Eindruck differenzierter Strukturen, permanenten Tempo-Bemühens und subtilen Eingehens auf die Solisten!
Das Publikum – es ist die „Premiere für den Freundeskreis Deutsche Oper am Rhein“ – reagiert reflektierend auf die invers-gezielten Intentionen und dankt hingebungsvoll. (frs)
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