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SCHILLERND
Aus dem Roman und dem Theaterstück
Lion Feuchtwangers haben Annette Bieker und Frank Schulz ein ungemein
differenziertes Libretto über Josef Süß Oppenheimers Lebens, des Finanziers
von Herzog Karl Alexander von Württemberg, der schillerndsten Figur des
18. Jahrhunderts, für aktuelles Musiktheater entwickelt. Oskar Gottlieb
Barr steuert dazu eine Partitur bei, die sowohl von verfremdeten traditionellen
Elementen lebt als auch genuine Ideen moderner Prinzipien einbringt. In
der Regie von Frank Schulz läuft ein intensiver Strom vielfältiger Ereignisse
ab, bestimmt durch die Auswechselbarkeit von Herzog und Oppenheimer, "erzählt"
über ein Puppenspiel, video-vermittelt. Das gewinnt im Ambiente der Bielefelder
Nicolaikirche (wie schon zuvor in der Wuppertaler Immanuelskirche) suggestiven
Charakter mit einem durchs Publikum stürmenden Chor und bewegendem Kaddish,
Totenklagen und Lamenti.
Mit Wolfram Wittekind, Frank Bahrenberg, Angela Froemer, Cecilia Matsaerts
und Oliver Aigner sind intensiv ausgewogene Stimmen zu erleben, die sich
der Kirchenraum-Akustik wunderbar anpassen (für die Sprechrollen ergeben
sich allerdings erhebliche akustische Verständigungsprobleme).
Ernst von Marschall leitet das zehnköpfige Musikensemble Kontra-Punkt
engagiert-präzise, mit größter Umsicht für die im weiten Raum verteilten
Protagonisten.
Das gesamte Publikum ist sowohl von dem intensiven Geschehen und der assoziationsreichen
musikalischen Umsetzung angetan, als auch vom nachdenkenswerten Gehalt,
der auf dem schmalen Grat philosemitischer Korrektur des üblen Jud Süß-Produkts
eine differenzierte Sicht der Kommunikation zwischen jüdischen und nicht
jüdischen Menschen in einer durch Politik, Wirtschaft und Machtstreben
bestimmten Gesellschaft dramatisiert. Beeindruckend! (frs)
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