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Fakten zur Aufführung 

PETER GRIMES
(Benjamin Britten)
18. September 2009 (Premiere)

Deutsche Oper am Rhein
Düsseldorf


Points of Honor                      

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Keine Chance auf Leben

Der Blick fällt auf einen wellenförmig gestalteten Boden, bestehend aus lauter aneinander gesetzten Türen, Füllungen und Fenstern. Das ist der „Borough“, das Dorf, in dem Peter Grimes zuhause ist. Es scheint, als fände das Meer an Land seine Fortsetzung in dem Schwung dieses Bühnenbodens, den Kaspar Zwimpfer für Düsseldorf geschaffen hat – ein Schiffsrumpf, längst kieloben schwimmend, gekentert wie die Dorfgemeinschaft. Er ist grauschwarz wie (fast) alles andere in dieser unter die Haut gehenden Inszenierung von Immo Karaman. Trostlos dieser Fleck, an dem Menschen leben und im Idealfall auch leben lassen. Aber Peter Grimes ergeht es anders. Er ist und bleibt ein Außenseiter, da mag er noch so sehr von einem Leben an der Seite von Ellen Orford träumen, an ein halbwegs geordnetes Dasein. Argwohn und Aggressivität bringt man ihm entgegen. Und diese feindselige Atmosphäre intensiviert Fabian Posca, indem er den Chor immer wieder als Masse begreift, die Grimes, dieses Individuum, räumlich, ja körperlich bedrängen. Als kompakte, blockartig sich bewegende Meute. Das ist virtuos choreographiert!
Schwarz sind auch sämtliche Kostüme (Nicola Reichert), mal abgesehen von dem kleinen roten Farbtupfer, den Kneipenchefin Auntie an passender Stelle vor sich her trägt. Aus diesem finsteren Kollektiv schälen sich die Protagonisten heraus, einer wie der andere vorwurfsvoll. Das ergibt immer und immer wieder höchst unterschiedliche Personenkonstellationen – Beziehungen, die Immo Karaman und sein Regieteam ganz fabelhaft umsetzen und plastisch erfahrbar machen. Obwohl vom ersten Augenblick dieser Inszenierung an eigentlich völlig klar ist: Hoffnung auf ein wirklich gelingendes Leben, auf geglückte Integration eines Outlaws ist nirgends in Sicht. Grimes zerbricht an der Situation, dass auch sein letzter Lehrling (Ivaldo Bessière) schlichtweg durch unglückliche Umstände zu Tode kommt; er weiß, wie die „Dorfgemeinschaft“ mit ihm umgehen wird – und stürzt sich in die Fluten.
Die erste Premiere der neuen Spielzeit der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf ist die erste Premiere unter dem neuen Intendanten Christoph Meyer. Und es ist die erste Premiere des neuen Generalmusikdirektors der Oper Axel Kober. Beide können sich sehr zufrieden zurücklehnen und im Erfolg dieser Britten-Produktion geradezu baden. Völlig zu Recht durch und durch schäumender Applaus für Axel Kobers Dirigat, das sämtliche Feinheiten und Finessen der vielschichtigen Partitur ausgezeichnet zur Geltung bringt. Ein luzider Orchesterklang entströmt dem Graben, sehr gediegen, was vor allem das äußerst geforderte Holz samt Flöten angeht; doch auch das Blech ist makellos, ebenso die Streicher, nicht zuletzt der viel beschäftigte Pauker. Eine Herausforderung sind auch immer wieder die teils opulenten „Interludes“, die Zwischenspiele, in denen Britten seismographisch genau Stimmungen aufgreift und weiter entwickelt. Für die Düsseldorfer Symphoniker ist diese Musik offensichtlich genau die richtige Konfektionsgröße.
Auch sängerisch lässt diese Produktion keine Wünsche offen. Das beginnt bei Roberto Saccà, der sich in die Titelrolle mit Haut und Haar hinein versenkt und dazu seinen völlig unangestrengten Tenor mühelos in die Höhe schraubt, Emotionen transportiert von vulkanhaften Ausbrüchen bis hin zur Resignation und tiefer Trauer. Diese ganze Bandbreite zutiefst menschlicher Gefühle liefert Saccà rundherum überzeugend. Gun-Brit Barkmin ist die mit Grimes im Grunde solidarische Lehrerin Ellen Orford, die auch von nichts als von Normalität träumt - und dies mit Leidenschaft. Einer Leidenschaft, an der sie dank ihres brillanten, kräftigen Soprans auch keinen Zweifel lässt. Barkmins großer Monolog zu Beginn des dritten Aktes ist fraglos ein Höhepunkt dieser Inszenierung. Tomasz Konieczny ist ein zwischen Grimes und der Dorfgemeinschaft hin- und her gerissener Kapitän Balstrode mit machtvollem, raumgreifende Bariton. Darüber hinaus beeindrucken auch die Darsteller der eher kleineren Partien mit ausgewogenen Rollenportraits, vor allem Florian Simson als eifernder Methodist und Jane Henschel als Wirtin und Puffmutter Auntie samt ihrer „Nichten“ Elisabeth Selle und Anett Fritsch, aber auch Rebecca de Pont Davies als fiese Schnüfflerin Mrs. Sedley, James Bobby als geldgieriger Apotheker Ned Keene und Sami Luttinen als selbstgerechter Anwalt Swallow.
Das Signifikante an diesem Peter Grimes ist aber alles in allem die großartige Ensembleleistung bis hin zum Opernchor (grandios einstudiert von Gerhard Michalski), aus dem heraus auch etliche kleinere Rollen besetzt werden.
Düsseldorfs Premierenpublikum zeigte sich zutiefst beeindruckt. Selten war, als das Regieteam auf die Bühne kam, die Zustimmung derartig groß und einheitlich positiv.

Christoph Schulte im Walde

 












 
Fotos: Hans-Jörg Michel