|
TRAGISCH
Charaktere sind in Stein Winges Inszenierung
von Mussorgskis "Urfassung" des "Boris" zu erleben - zumeist negative
wie der Intrigant Schuiskij, der moralische Rigorist Pimen, auch der wehleidig-anklagende
"Gottesnarr" und der Betrüger Grigorij. Der "Zar" wird in diesem Panoptikum
von Heuchelei der Mächtigen und Elend des Volkes nicht zur verfolgten
Unschuld, sondern zum tragisch Leidenden!
Johannes Schulz benutzt einen Riesenparavant mit raffinierter Falttechnik
zu immer wieder neuen Handlungsräumen für Massenszenen und intime Ensembles.
Die Düsseldorfer Symphoniker bevorzugen unter Ira Levin weniger die Eruptionen
des unbereinigten Mussorgski-Torsos, sondern setzen auf "russische Säälä" - ein Hauch zuviel Folklore-Klischee.
John Wegner ist ein stimmlich außergewöhnlich differenzierungsfähiger
Boris mit enorm kräftigen Ausbrüchen und leidendem Verzicht. Mit Malcolm
Smith ist der Mönch Pimen kein röhrender orthodoxer Eremit, während Adrzej
Saciuks Waarlam eher wie ein trunkener Donkosak daherkommt - rollengerecht
in Intonation und "schleimigem" Spiel Robert Künzli als Schaiskij und
Andrej Lansov als Grigorij. Beeindruckend die Präsenz der Chöre (Gerhard
Michalski).
Im Düsseldorfer Publikum vermissen einige offensichtlich die Pause; es
liegt ein leiser Hauch von Ungeduld über den nicht ausverkauften Rängen.
Aber da hilft wohl kein Lamentieren: in Düsseldorf erwartet ein Teil des
Stammpublikums unentwegtes Tralala!
Eine schöne, nachahmenswerte Geste der Opernleitung: Die Vorstellung ist
dem 50jährigen (!) Bühnenjubiläum von Andrzej Saciuk gewidmet. (frs)
|
|