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Fakten zur Aufführung 

RUSALKA
(Antonín Dvořák)
11. Dezember 2010 (Premiere)

Semperoper Dresden


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Überbordende Ideen und Effekte

Den romantischen Mond und den silbrig glänzenden See, dem die Nixe Rusalka auf der Suche nach ihrem sie liebenden Prinzen entsteigt, gibt es natürlich nicht. Das war bei Stefan Herheim, wenn er sich Dvořáks Märchenoper Rusalka annimmt, auch nicht anders zu erwarten. Die Meerjungfrau wandelt sich vielmehr zu einem Straßenmädchen, die Szene spielt auf einem von Häusern eingefassten Platz und ist dennoch, völlig überraschend in diesem Ambiente, voller romantischer Stimmung und zauberischer Phantastik. Was Herheim und seine Bühnenbildnerin Heike Scheele hier mit Witz und Irrwitz an Effekten, Bildern und Choreographien auf die Bretter zaubern, ist schlicht überwältigend und hält die Spannung die vollen drei Stunden.

Schon bevor die Musik einsetzt sind wir minutenlang auf einem nächtlichen belebten und zugleich verwunschen erscheinenden Platz mit den typischen Stadtgeräuschen. Passanten kommen und gehen, rempeln sich an, streben in den U-Bahn-Eingang, der Regen prasselt - und irgendwann merken wir, die Zuschauer, die sich in raffiniert eingesetzten Spiegeln erkennen können, dass sich diese Szenenabfolge immer wiederholt, wiederkehrt wie die Ereignisse des Lebens. Diese Spiegel werden noch zu wahren Verwandlungswundern, genau so wie die in einem Schaufenster taktgenau tanzenden Sexpuppen im nächsten Augenblick zu Hochzeitskleidern mutieren, aus einer Straßenlaterne wird allein durch das Herunterfahren auf halbe Höhe ein Schlafzimmerlicht, und der Chor darf als absurd ausstaffiertes Nuttenballett brillieren. Das ist ebenso fulminant in Szene gesetzt wie die auf einem gleißend hellen Lichtbogen hereinschwebende Rusalka oder die mit kräftigen Arm- und Beinbewegungen senkrecht dem Bühnenhimmel entgegen schwimmenden Elfen.

Herheims Ideen und Einfälle an zauberischen Effekten sind fast überbordend, in ihren einzelnen Momenten auch weitestgehend stimmig und nahe am Stück. Da ist nichts aufgesetzt, sondern wie der Wandel des realistischen in ein phantastisches Bühnenbild, die Versinnbildlichung des Märchens von der Nixe, die aus Liebe zu ihrem Menschenprinzen sprachlos wird, ihn deshalb zunächst an ihre feurige Gegenspielerin verliert und ihn trotz seiner späten Reue und Liebe nicht mehr gewinnen kann.

Wenn es denn Herheim doch bei diesen romantischen, mal grell drastischen, mal einfühlsam nachdenklichen, immer aber das Stück verdeutlichenden Bildern belassen hätte - alles wäre gut und stimmig. Statt dessen aber stülpt er der Märchen-Handlung noch eine Meta-Ebene über und erklärt den Wassermann, für den Rusalka das Wunschbild einer Frau darstelle, zum Zentrum der Oper. Mit zusätzlichen stummen Auftritten lässt er den Sänger des Wassermanns fast pausenlos in die Handlung mit eingreifen. Man muss als Zuschauer nicht unbedingt alle Einfälle und Gags eines Regisseurs stringent deuten können, manches mag unerklärlich bleiben, wenn es denn überzeugend gemacht ist. Mit dem Wassermann als Welterklärer aber tut sich Herheim und der Handlung keinen Gefallen. Das passt dann nicht mehr, ist so gegen den Strich gebürstet, dass es stört. Wenn sich etwa Rusalka und ihre Gegenspielerin, die fremde Fürstin, direkt miteinander streiten, Herheim aber noch den Wassermann dazwischen treten lässt, so dass die beiden Frauen quasi diesen ansprechen, dann stimmt die Szene nicht mehr und ergibt auch keinen zusätzlichen Gewinn an Einsicht oder Erklärung. Es hakt schlicht im Ablauf des Stücks, wie auch bei den sich mehrfach, durchaus eindrucksvoll und gekonnt meuchelnden Personen der Handlung, die danach munter weiter leben, um sich noch einmal zu erstechen und wieder weiter zu spielen. Rätsel der Regie.

Gesungen wurde auf hohem Niveau, allen voran von der Titelheldin Tatiana Monogarova als Rusalka. Mit ihrem ausdrucksstarken Sopran deckte sie stimmschön alle Facetten vom zarten Piano bis zum dramatischen Ausbruch ab. Marjorie Owens als fremde Fürstin war ihre verführerische, aber auch kräftig keifende Gegenspielerin. Mit ihrem vollen dramatischen Mezzo konnte Tichina Vaughn als Hexe Jezibaba überzeugen. Der Prinz von Zoltán Nyári hatte zum Schluss mit seinem prägnant kernigen Tenor leichte Konditionsprobleme. Georg Zeppenfeld ließ sich als Wassermann mit seinem sonoren und dennoch flexibel eingesetzten Bass trotz seiner zahlreichen Zusatzauftritte nicht aus dem Stimmkonzept bringen. Die Sächsische Staatskapelle unter Tomáš Netopil schwelgte gekonnt glutvoll im romantischen Ton, hatte aber auch die nötige Transparenz für die leichten und lichten Passagen der Partitur.

Das Publikum in der vollbesetzten Semperoper war offenbar durchaus angetan von der Neuinszenierung. Abgesehen von einigen wenigen Buhrufen für das Regieteam war der freundlich kräftige Beifall für alle Beteiligten aber doch etwas verhalten und nicht allzu lang, jedenfalls nicht wirklich begeisternd.

Axel Göritz


 




Fotos: Matthias Creutziger