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DIE EUROPÄISCH-TÜRKISCHE SPASSGESELLSCHAFT
"Wen man durch Wohltat nicht gewinnen
kann, den muss man sich vom Halse schaffen" - Bassa Selims aggressiv-nonchalante
Alltagsweisheit wird zum Mittelpunkt der unteren "Entführungs-"Comedy
in der touristenfreundlichen Semper-Oper. Doch die Inszenierung nach Marco
Arturo Marelli ist kein platter Touri-Evlut, sondern in leuchtenden Farben
und stilisierten Wänden mit ironischen Wandlungseffekten eine erfrischende
Story interkultureller Erfahrungen.
Ahmad Mesgarha spielt einen unkonventionell-liebenswerten Zeitgeist-Selim
- ohne Schwulst - und man versteht, warum die lebenslustige Konstanze
dem drögen Belmonte verbleibt: sie ist ihm zu öde!
Roxana Incontrera ist eine technisch nahezu perfekte Konstanze, passt
in das Konzept, doch bietet sie nicht die mozarteske Erdenferne: Natalie
Karl ist als Blonde very british, eher opernhaft lustig; dem entspricht
der putzmuntere Padrillo von Carsten Süß, während Werner Güra den Belmonte
auf erwarteten Belcanto-Klang reduzierte. Reinhard Dorn gab einen Osmin
als bewusste Karikatur, doch wäre neben hinreißendem Spiel ein wenig mehr
Power in des Basses Tiefen hilfreich!
Hans E. Zimmer dirigierte die Sächsische Staatskapelle präzise-locker,
allerdings mit wenig Temperament.
Das ausschließlich touristische Publikum goutierte nicht nur das kostbare
Ambiente der Semper-Oper, sondern verfolgte das unkonventionelle Bühnengeschehen
hochintensiv und applaudierte leidenschaftlich. (frs)
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