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Fakten zur Aufführung 

IL BARBIERE DI SIVIGLIA
(Gioacchino Rossini)
12. April 2008 (Premiere)

Semperoper Dresden


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Allerlei muntere Einfälle

Schon merkwürdig: Da gibt es in der Dresdner Semperoper die Premiere von Gioacchino Rossinis allseits bekanntem und beliebtem Barbier von Sevilla mit einer Starbesetzung der weiblichen Hauptrolle - und draußen vor der Tür stehen nicht die Opernfans mit den „Karte gesucht“-Zetteln, sondern einige Anbieter, die ihre Tickets selbst eine Viertelstunde vor Beginn noch nicht losgeworden sind. Dies wird sicher nicht daran gelegen haben, dass die Dresdner in großer Zahl die Inszenierung bereits in Zürich gesehen haben (vgl. Opernnetz vom 31.12.2001), von wo die Produktion übernommen wurde.
Nun sind sieben Jahre für eine Operninszenierung  eigentlich kein Alter. An größeren Häusern werden selbst 20 oder 30 Jahre alte hervorragende Aufführungen immer wieder aufgenommen. War es also die Ortsveränderung, die weitgehend neue Besetzung - allerdings nach wie vor mit Vesselina Kasarova in der Rolle des verliebten Mündels Rosina -  oder doch das Inszenierungskonzept, das die Funken des Barbiere in Dresden nicht wirklich sprühen ließ?

Die Bühne beherrscht ein effektvoller Fächer (Luigi Perego), der von der Außenansicht des Hauses des griesgrämigen Vormundes Bartolo ins Innere der drei Wohnungszimmer gedreht werden kann. Die Kostüme sind schön anzusehen, aufwändig gearbeitet, gleichen bei Rosina fast Designer-Garderoben. Die Opera buffa um den intriganten und die Strippen ziehenden Figaro wird mit allerlei munteren Einfällen in Szene gesetzt (Grischa Asagaroff), es ist mal turbulent, mal stimmungsvoll - aber meist absehbar. Man hat das Gefühl, auf der Bühne haben sie sich dazu verabredet, zu zeigen, wie Komödie gespielt wird. Es ist routiniert, ist auf den ersten Anschein stimmig, es passt - bleibt aber im doch eher Kunsthandwerklichen befangen. Über den Charakter einer Boulevard-Komödie, wie man sie heutzutage spielen kann, kommt die Inszenierung nicht hinaus. Bei aller scheinbaren Modernität, wenn etwa Figaro mit dem Seitenwagen-Motorrad auf die Bühne fährt, wirkt das Konzept in seinen Auftritten und der Personenregie mitunter (Polonaise durch die Zimmerflucht) doch auch etwas altväterlich, ja angestaubt. Es gibt keine Ecken oder Kanten, nichts Unvorhergesehenes, es bleibt alles im Rahmen einer handwerklich nett gearbeiteten, hübsch anzusehenden Aufführung, der aber das, was dann noch dazu kommen müsste - ein gewisser Esprit,  das funkensprühende Brio - leider fehlt. Und nicht nur einmal verfällt man in überholt geglaubtes plattes An-der-Rampe-Singen. So wird etwa das Motorrad für die Arie des Grafen Almaviva in Richtung Publikum gedreht, an die Rampe gefahren und dann nimmt der Tenor für seine Arie darauf Platz. 

Auch musikalisch bietet sich dasselbe Bild. Keine Ausfälle, alle singen und spielen gut oder zumindest sehr ordentlich. Aber bei Vesselina Kasarova waren die Erwartungen doch höhere. Ihr Mezzosopran hat weiterhin eine profunde Tiefe, wie sonst selten zu hören. Die Koloraturen meistert sie mit ausgefeilter Technik. Ihre Stimme ist bis in die Höhe voll tragfähig. Die Spitzentöne knallt sie mitunter wie Peitschenhiebe heraus. Dabei wirkt ihre Stimme bei aller ihr zur Verfügung stehenden stupenden Dynamik dann etwas unausgeglichen, das reine Belcanto-Glück mit schön ausgesungen Legato-Bögen will sich nicht recht einstellen. So singt denn der junge Bariton Fabio Maria Capitanucci seinen Figaro zu Recht nach vorne. Mit frischer, unverbrauchter, sehr differenzierter und exakt artikulierender Stimme und großem komödiantischen Spieltalent vermittelt er etwas von der Faszination, die in Rossinis Barbiere angelegt ist. Das wusste auch das Publikum zu würdigen, das den noch fast Namenlosen mit dieser voll überzeugenden Rollengestaltung in seinen Beifallsbekundungen zumindest gleichauf mit dem Weltstar Kasarova feierte. Schon etwas länger steht zu Recht Roberto Scandiuzzi in der Publikumsgunst. Sein Basilio nahm wieder einmal sowohl  mit seinem schön strömenden kräftigen Bass als auch seinem feinem Spiel für sich ein. Das Ensemble vervollständigten Michael Eder als Bartolo und der leichte Tenor von Kenneth Tarver in der Rolle des Grafen Almaviva. 

Von Riccardo Frizza  am Dirigentenpult der Sächsischen Staatskapelle gingen eher wenige orchestrale Akzente aus - er beschränkte sich auf das unauffällige dienende Begleiten der Sänger, was diese durchaus zu schätzen wissen. Zum Schluss einhellige, wenn auch deutlich wahrnehmbare abgestufte Zustimmung für alle, mit Semperoper-üblichem Fußgetrampel.

Axel Göritz