|
Magie der Klänge
"Inori" - jap. Das Gebet. Karlheinz Stockhausen bedrängt das Publikum
im Programmheft mir religiösem Fundamentalismus, zwingt apodiktisch zu
vorgeschriebenem Empfinden, der kalkulierte Aufbau der Partitur gemahnt
an kabbalistische Mysterien.
Dies alles vorausgeschickt, ist Skepsis angesagt: Musik als Transportmittel
verquaster Ideologie - das ist doch wohl vorbei! Doch dann das Radio Kamerorkest
Hilversum, ein Kollegium hochkarätig-sensibler Virtuosen, und Peter Eötvös,
ein einfühlsam-fordernder Dirigent - und das theoretische Konstrukt wird
zur Magie der Klänge, durchaus geheimnisvoll in den Übergängen von Dynamik,
Rhythmus, Melodie, Harmonie und polyphonen Irrlichtern.
Das Zusammenspiel von Streichern und Holzbläsern vermittelt emotionale
Nachdenklichkeit, die fantastisch akkuraten Blechbläser integrieren die
fast apokalyptischen Eruptionen in den mahlenden Strom der Empfindungen.
Unüberhörbar die klanglichen Quellen des epochemachenden Werks von 1974
(!) für die aktuellen Tendenzen der Musik von Adams, Reich, Nyman - Karlheinz
Stockhausens Opus ist ohne Zweifel der Urgrund für "moderne" Musik weitab
von allen Vorwürfen emotionaler Inkompetenz! Mit Alain Louafi (bereits
1974 in der Uraufführung) und Kathinka Pasveer sind zwei Betende auf erhobenem
Podest im Orchester mit ritualisierten Demutsgesten vor einem undefinierten
Höheren zu beobachten - das erinnert an Formen esoterischer Sinnvermittlung,
trotz aller "Schwingungen" kein realistisches Angebot für die Suche nach
Sinn-Angeboten.
Karlheinz Stockhausen übernimmt die Klang- und Lichtregie, wobei ein Einfluss
auf die Klangfarben des Orchesters mittels elektroakustischer Manipulationen
wohl eher als gering einzuschätzen ist.
Insgesamt: ein Abend faszinierender-magischer Klänge, vom gefesselt lauschenden
Publikum im gut besetzten Konzerthaus mit entsprechendem Applaus rezipiert.
(frs) |
|