Nabucco im Sturm und Drang
Verdis „Masnadieri“ sind natürlich nicht Schillers „Räuber“, aber das Furioso des Sturm und Drang ist im Nabucco-Stil adaptiert:
Die langen Anläufe musikalischer Emotionalität nach den Regeln der Arien-Konstrukion werden von der Anhaltischen Philharmonie Dessau unter Golo Berg mit verheißungsvoll-spannungsabbauenden Pausen verbreitet und dann im orchestral-opulenten Stil der Nummern-Oper volltönend umgesetzt – mit herausgehobenen Instrumentengruppen und intensiv klingenden Solo-Instrumenten. Daher bleibt das Orchester bei aller Fulminanz in respektabler Balance zu den herausgeforderten Sängern auf der Bühne.
Pieter Roux gibt dem Karl Moor eher zahm, gibt stimmlich mit seinem hellen Tenor den Eindruck des ambivalenten Helden. Ludmil Kuntschew vermittelt mit seinem angestrengten Bariton den aasigen Charakter des Intriganten Franz. Iordanka Derilova ist mit ihrem hochdramatisch-höhensicheren Sopran eine durchaus selbstbewusst-leidenschaftliche Amalia. Das Dessauer Ensemble singt zuverlässig; der Chor agiert pseudo-spontan, lässt jedoch im klanglichen Volumen keine Wünsche offen.
Johannes Felsensteins Regie setzt auf distanzierten Realismus – nur die brutale Räuberszene zeigt avanciertes Regietheater.
Die zurückgenommen-realistische Bühne Stefan Rieckhoffs ist reduziert auf signifikante Elemente, lässt auf großer Spielfläche die Akteure verloren wirken; ein rotes Band betont die Zerrissenheit.
Das Publikum im großen Anhaltischen Theater (1100 Plätze!) folgt gebannt, reagiert emotional auf die kalkulierten Arien (mal Spontan-Applaus, mal gespanntes Schweigen) und steigert sich am Schluss zu enthusiastischem Beifall: vom Rang werden schweizer, österreichische, französische, amerikanische Fähnchen geschwenkt. Die Dessauer Felsenstein-Oper hat internationale Fans. Wie schön! (frs)
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