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Fakten zur Aufführung 

ELEKTRA
(Richard Strauss)
29. Mai 2009
Premiere: 9. Mai 2009

Anhaltisches Theater Dessau


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Worte könn(t)en töten

Jubel, Bravi, Trampeln - kaum waren Blitz und Donner auf der Bühne verklungen, brach das Publikum nach der Elektra in Dessau in einen wahren Begeisterungssturm aus, wie man ihn nach einer Repertoire-Aufführung selten erlebt. Die Besucher nicht nur aus der anhaltischen Bauhaus-Stadt identifizieren sich offenbar fast rückhaltlos mit ihrem Theater und ihren Publikumslieblingen. Zu sehen und zu hören gab es  eine weit über alle sogenannte Provinz,  ja über manchen Hauptstadt-Abend hinausreichende Opern-Vorstellung, die allerdings auch ihre zwiespältigen Anteile hat.

Die Inszenierung von Johannes Felsenstein, der sich als Intendant nach 18 Jahren und 38 Produktionen aus Dessau verabschiedet, hat eine gewaltige, dem antiken Stoff mehr als angemessene archaische Kraft. Schon das Bühnenbild (Stefan Rieckhoff) mit der sich von hinten bis nach vorn zur ersten Zuschauerreihe schiebenden Rampe mit ihren blutverschmierten seitlichen Treppenstufen und dem den Bühnenraum umschließenden Säulenfries ist beeindruckend. Das höchst intensive und expressive Spiel vor allem der weiblichen Protagonisten ist es nicht minder. Wie die Elektra von Iordanka Derilova ihre Rolle gestaltet, ist schlicht umwerfend. Von eher kleiner, zierlicher Figur, strahlt sie eine Kraft und Besessenheit aus, die überwältigt. Der Furor und die Rache, die Elektra treiben und ihr keine Ruhe lassen, bis ihre Mutter und Vatermörderin Klytämnestra getötet sind, werden von dieser exzellenten Sängerdarstellerin überaus glaubhaft verkörpert. Und wenn sich in der Schlüsselszene Klytämnestra und Elektra einerseits als Mutter und Tochter, andererseits aber auch als die am meisten gehassten Menschen gegenüberstehen, sich angiften und hautnah ins Gesicht schreien, dann ist dies ein präzises, erschütterndes Bild davon, dass Worte töten könnten. Der ekstatische Schlusstanz von Elektra, den sich die großen Heroinen an den großen Bühnen heutzutage kaum mehr trauen wirklich zu tanzen, aus Angst vor Peinlichkeit, wird hier zum furiosen Schlusstriumph einer überragenden Darstellerin und ihres Regisseurs und Choreographen. Große Opernmomente, aber auch manche sehr konventionellen, ermüdenden Operngesten. Wenn Elektra fast in jeder Szene ihre ausgestreckten Arme mindestens einmal in die Höhe reißt oder Aegisth, von Elektras Bruder Orest erschlagen, in seinen letzten Zuckungen im Takt der Paukenschläge mit dem Kopf wackelt, ist dies hart an der Grenze zur ungewollten Satire.

Das Hauptproblem der Inszenierung ist allerdings die Platzierung des Orchesters auf der Bühne und damit hinter den Solisten. Gespielt wird, abgesehen von den jeweiligen Auftritten, ausschließlich auf der Vorderbühne, auf dem überbauten Orchestergraben. Das hat den Vorteil einer für Opernverhältnisse selten zu erlebenden überaus großen Nähe der Zuschauer zu den Solisten und einer vorzüglichen Textverständlichkeit. Der Illusionscharakter des geschlossenen Theaterraumes wird dadurch allerdings zumindest teilweise aufgehoben, wenn in der Bühnenmitte die Musiker an ihren beleuchteten Pulten sitzen. Und fast noch gewichtiger: die Klangverhältnisse stimmen nicht mehr. Das Orchester unter der Leitung seines ebenfalls scheidenden Generalmusikdirektors Golo Berg war eher gedämpft und zahm wie durch einen Schleier zu vernehmen,  statt im Rausch der Straussschen Instrumentation. Wenn dann auch noch die Sänger vor dem Orchester im fast pausenlosem Forte-Stimmeinsatz agieren - wozu gar kein Grund besteht -, stimmt die Balance nicht mehr. Der Sopran von Iordanka Derilovas Elektra hätte ohne das dauernde Aufdrehen und Ausstoßen von Spitzentönen noch überzeugender gewirkt. Ähnliches gilt für die Chrysothemis von Maida Hundeling, die ebenfalls den dramatischen Gehalt der Rolle auf Kosten der lyrischen Anteile überinterpretierte. Eine sehr stimmige Rollengestaltung ohne Abstriche zeigte Karin Goltz als Klytämnestra. Sie sang ihre Partie mit ihrem ausdrucksstarken dramatischen Mezzo mit sehr kantabler, ausgewogener Stimmführung und deklamierte nicht nur, wie manch eine ihrer berühmten älteren Kolleginnen. Der Orest von Ulf Paulsen war regiebedingt eher verhalten angelegt,  Vincent Wolfsteiner konnte seinem kurzen Auftritt als betrunkener Aegisth mit Zepter in der einen und Schnapsflasche in der anderen Hand Nachdruck verleihen.    

Axel Göritz 

 












Fotos: Claudia Heysel