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TRIVIALER REALISMUS
Was geschieht, wenn der Regisseur
Handlung, Musik und Gesang einer Oper nicht traut, erlebt man bei Martin
Schülers Carmen im Cottbuser Theater. Welcher Teufel mag den sonst so
kreativen Bühnenzauberer geritten haben, "seinen" Felsenstein derart zu
adaptieren: langatmige Spielhandlungen mit überflüssig detaillierten Dialogen
Felsensteins aus vergangenen Zeiten - und mit einem Sängerensemble, dessen
Metier eben nicht das virtuose Schauspiel ist. Der vorgeführte Hyperrealismus
erinnerte an aufgemotztes triviales Volkstheater - verlangte von den Sängern
nicht geringe Rollenwechsel vor dem Orchester, das auf dem hinteren rechten
Teil der Bühne platziert war. Reinhard Petersen gab das Tempo vor, die
Musiker reagierten präzis, wenn auch bisweilen der drive verlorenging,
aber das lag wohl an dem zerrissenen Handlungsablauf.
Waltraud Hoffmann-Mucher sang die Carmen mit viel Gefühl für die unterschiedlichen
Zustände der Leidenschaft; Jens Klaus Wilde beeindruckte als José mit
lyrischer Kraft (!), und der unverwüstliche Herbert G. Adami gab einen
Escamillo stimmlich auf der Höhe, durchaus nicht eindimensional!
Das wunderschöne Cottbuser Theater war total gefüllt mit einem gespannten
Publikum, das irritiert schien durch den Präsentationsmix auf der Bühne,
aber den Sängerleistungen angemessen applaudierte. (frs)
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