Das Böse als Prinzip
In Bremerhaven ist eine sängerisch, musikalisch und inszenatorisch brillante und nachdenkenswerte Tosca zu erleben! Gregor Horres vermittelt die totale Bedrohung als inhumanes Prinzip – der verfolgte Angelotti, der gnadenlos gefolterte freisinnige Cavaradossi, die der Kunst und Liebe lebende Tosca: sie leben in einer Welt des hassenden Mesners, der Schergen des zynisch-brutalen Scarpia.
Jan Bammes baut mit monumentalen Elementen Gehäuse des Zwangs: mit Planen verdeckte Kirchenelemente, einen Gitterkäfig als Herrschaftsmetapher, mit Ausblicken in enge Räume klaustrophober Verlorenheit.
Gespielt wird auf drei hintereinander liegenden Ebenen: Die intensiven personalen Szenen im Vordergrund, die epischen Phasen hinter den Bühneninstallationen, Massenereignisse im Hintergrund – dramatisch nach vorn drängend. Ein uraltes Opern-Inszenierungs-Prinzip gewinnt in der Horres-Regie beklemmende Effekte!
Dramaturgisch zunächst irritierend: Eine schwarz gestylte attraktive Frauenfigur als Scarpia-Assistentin – entpuppt sich als prophetischer „Hirt“: ein „Schwarzer Engel“ des Verderbens.
Matthias Klein ist ein Scarpia, der den „Beichtvater“ und Gewaltherrscher überzeugend verkörpert – durchaus „charming“-lyrisch, aber auch brutal auftrumpfend mit metallischem Bariton.
Heiko Börner gibt einen Cavaradossi mit viel Strahlkraft und variabler tenoraler Potenz. Miriam Gordon-Stewarts dramatischer Sopran überzeugt mit einer tragfähigen Mittellage und emotionalen, sicheren Höhen – in der Darstellung aber ist sie keine glaubwürdige Diva Tosca in all ihrer ambivalenten Leidenschaft. Slavin Peev nutzt die Chance der wichtigen Angelotti-Rolle zur Präsentation seiner darstellerisch-sängerischen Möglichkeiten; Peter Kubik als verkrüppelter Veteran ist ein stimmlich flexibler Mesner und – allen Schergen voran – Ziad Nehme als Spoletta (aber der Bruch vom Grafen Boni zum Puccini-Schurken ist doch seh- und hörbar).
Das Bremerhavener Publikum – auch in der Nachmittags-Vorstellung vom Alter her gemischt – folgt aufmerksam, hustet sehr wenig, geht auf die kritische Inszenierungsidee ein und feiert die Präsentation geradezu stürmisch - begeistert auch und vor allem durch die leidenschaftliche Interpretation der Puccini-Musik durch das großartige Städtische Orchester Bremerhaven unter dem souveränen Stephan Tetzlaff: musikalisch transparent, dramaturgisch stimulierend und in sensibler Abstimmung von Graben und Bühne! Ein großer Opern-Abend!
Franz R. Stuke
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