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Frauen, Frauen, immer mehr Frauen
Modern, aber doch bieder – so lässt sich die neue Inszenierung von Andrea Moses umschreiben. Der lüsterne Frauenheld, ein südländischer Gigolo mit weißem Anzug und Hut, durstet nach mehr, nach noch mehr, nach immer mehr Frauen. Sonst hat er nicht viel im Sinn. Ist das die beabsichtigte „weibliche“ Lesart des Don-Juan-Stoffes?
Das Bühnenbild von Christian Wiehle mit seiner drehbaren Häuserkulisse ist minimalistisch und zugleich stimmungsbildend, erfüllt seinen Zweck und erspart Umbaupausen. Gleichzeitig wird es zwischenzeitlich als Projektionsfläche durch die Regie genutzt, um Fotos der bereits von Don Giovanni eroberten Frauen – „aber in Spanien schon tausend und drei!“ – der betrogenen Geliebten Don Giovannis vorzuführen. Fragwürdig ist die Personenführung, etwa während der Festszene am Ende des Ersten Aktes: trotz der vielen Darsteller ist kaum Bewegung auf der Bühne. Drogen, Masturbation, Fellatio – das Abhaken provokanter Themen erinnert stark an die Registerarie zu Beginn des Stückes. Es wird aber stets nur angedeutet, was passiert; und die Protagonisten fühlen sich sichtlich unwohl bei dem, was sie tun.
Alle Sänger erbringen solide Leistungen. Besondere Erwähnung gebührt neben Juan Orozco (Don Giovanni) dem Gast George Stevens (Leporello). Inszeniert oder nicht: der Einwurf einiger Textpassagen durch die Souffleuse während der Darbietung irritierte. Das Orchester, geleitet von Markus Poschner, hinterlässt einen durchweg guten Eindruck, hätte jedoch teilweise ein wenig temperamentvoller spielen können. Probleme bereiteten kurzzeitig nur die Hörner; die Entscheidung für eine historisch informierte Aufführungspraxis war dennoch richtig.
Das Publikum schien sich zeitweilig nicht ganz einig zu sein, wann denn nun geklatscht werden sollte und wann nicht; die übliche Bremer Zurückhaltung vertrug sich einfach nicht mit dem wilden touristischen Szenenapplaus nach beinahe jeder Arie. Während der Verbeugungen am Ende aufzustehen und den Saal zu verlassen, konnte man dann entweder als Ohrfeige für die gesamte Besetzung oder als gedankenloses Startsignal für den Kampf um die Garderobe interpretieren. Zu hoffen wäre letzteres.
Malte Breford
Wie dieser Text entstand:
„Musikjournalismus in Online- und Printmedien“ – kann man damit Geld verdienen, was macht man da genau, und wie zum Teufel schreibt man eigentlich eine Musikrezension? Letzteres konnte in dem aktuellen Seminar am Institut für Musikwissenschaft und Musikpädagogik der Universität Bremen durch den Besuch der Opernpremiere Don Giovanni und der nun beispielhaft im opernnetz eingestellten Rezension auch praktisch geübt werden. Wir danken der Redaktion für den Abdruck.
Anmerkung der Redaktion:
Wir freuen uns über das Engagement der Studierenden des oben genannten Seminars der Uni Bremen. Und es ist völlig normal, dass bei den ersten "Gehversuchen" in Sachen Musik(-theater)rezension noch nicht an alles gedacht wird. Etwa an die Punkte, die opernnetz stets für diverse künstlerische Leistungen vergibt...
Im Austausch mit dem Verfasser des Beitrags und den SeminarteilnehmerInnen bleibt opernnetz "am Ball" und versteht diesen Beitrag als "work in progress", der sich hier und da noch etwas verändern kann.
Die Redaktion
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