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Fakten zur Aufführung 

CARMEN
(Georges Bizet)
29. April 2005 (Wiederaufnahme)

Bremer Theater

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Keine femme fatal

Carmen gehört zum eisernen Bestand jener Opern, die zuverlässig alle paar Jahre auf dem Spielplan jedes Theaters erscheinen - so auch in Bremen. Doch statt einer Premiere gab es hier als erneute Wiederaufnahme Karin Beiers legendäre Inszenierung aus dem Jahr 1997 im multifunktionalen Gerüstbau-Bühnenbild von Florian Etti zu bestaunen. Die Produktion hat auch nach acht Jahren nichts von ihrer erregenden Mischung aus entängstigender, ironisch-spielerischer Sinnlichkeit und „Gänsehaut-Tragik“ eingebüßt. Wo andernorts solche riskanten Reprisen schon einmal in lustloser Repertoireroutine versanden, da nimmt die Bremer Einstudierung eher noch durch einen Zuwachs an Dichte und Leidenschaftlichkeit gefangen.

Das ist vor allem Fredrika Brillembourgs einzigartiger Gestaltung der Titelpartie zu verdanken. Spiel und Gesang entwickeln sich bei ihrer bezaubernd aussehenden Carmen stets unmittelbar auseinander. Ihr geschmeidiger, jugendlicher und - wo es angezeigt ist - deklamatorisch scharfer Mezzo verfügt über eine noch reicher gewordene Fülle an fein charakterisierenden Zwischentönen.

Bei dieser Carmen gibt es kein Rätselraten, ob sie nun Don José oder Escamillo begehrt. Ihre Liebe gilt dem Sergeanten, für ihn hält sie, die Erotik sonst lustvoll als Waffe im Überlebenskampf einsetzt, bisweilen beinahe scheue Zärtlichkeitsgesten bereit. Sie durchlebt ihre Passion weitaus verstörter und verzweifelter als der seinen Schmerz mit oft wehleidigem und selbstgerechtem Pathos ausstellende Geliebte. Gerade darin ist sie aber eine nonkonformistische Frau, gezähmt eben auch nicht von den Klischee-Zuschreibungen des Vamps oder Dämons.

Bruce Rankin versucht mit seinem - Beiers Rollenkonzeption zwar bedienenden - lyrisch weichen Don José aus der Not eine Tugend zu machen, wie die mit belegter und dünner Stimme gesungenen hochdramatischen Passagen verraten. Im Schlussduett nimmt der Tenor in histrionischen Schluchzern Zuflucht. Ivan Dimitrovs Escamillo neigt zunächst auch vokal zur Karikatur des Stierkämpfers. Die vermeintlich undankbare Partie der Micaela wertet Dunja Simic mit strahlkräftigem Espressivo erheblich auf. Das übrige Ensemble ist mit Engagement bei der Sache, beispielhaft sei Jennifer Birds Frasquita von hinreißender Nonchalance genannt.

Nach einigen Wacklern und Unkonzentriertheiten vornehmlich im 1. Akt überzeugen die Bremer Philharmoniker mit Florian Ludwig am Pult durch klangliche Transparenz und Feinnervigkeit - unübertroffen im licht und duftig musizierten Vorspiel zum 3. Akt. Das Farbenspektrum der Partitur und die breit gefächerte Skala der Rhythmen werden voll ausgespielt. Routiniert agiert und singt der von Thomas Eitler vorbereitete Chor.

Das sonst zurückhaltende Bremer Publikum überrascht durch seine Begeisterungsfähigkeit. Schon vor der Aufführung bereichert die ungewöhnlich erwartungsvolle lockere Feststimmung der Besucher die Atmosphäre des auch ohne Abonnement augenscheinlich ausverkauften Hauses. Die Pausengespräche gelten fast ausschließlich dem auf der Bühne Gesehenen und Gehörten. (ct)