Transgression
Als Folge von Transgressionen – Grenzüberschreitungen im Sexuellen und Gesellschaftlich-Hierarchischem, aber auch im schlicht Zwischenmenschlichen – wird im Umfeld des belgischen Komponisten Philippe Boesmans im Zusammenhang mit seiner Strindberg-Oper gesprochen.
Dorit Lievenbrück baut im atmosphärisch und bühnentechnisch perfekten Kleinen Haus Braunschweigs eine entsprechende Bühne mit unausweichlichem Oben und Unten sowie sparsamen Elementen: Kühlschrank (mit symbolischen Inhalten), Tisch (mit den Akteuren symbolträchtig wechselnd mal drauf, mal drunter), blattlosen Zweigen mit Blüten vor dem Fenster hinter der verglasten Galerie.
Uwe Schwarz inszeniert ein bezwingendes Spiel über gesellschaftliche Diskrepanzen in ihren individuellen Verhaltensmöglichkeiten. Am Ende bleibt die erschütternde Erkenntnis – ganz im Sinne Strindbergs – dass die weibliche Suche nach gelebter Sexualität existenz-bedrohender ist als alle brutalen Klassenschranken.
Karolina Gumos ist eine hin- und hergerissene Julie mit grandioser Spielfreude und einem emotionalen Mezzo, dem die Boesmansschen Lyrismen mit ambivalentem Ausdruck gelingen. Jörg Sabrowskis Jean beeindruckt mit seinem Spiel wechselnd vom Diener zum Macho, setzt seinen agilen Bariton emphatisch ein. Ruth Weber füllt die undankbare Rolle der Kristin mit sicher-fokussiertem Sopran aus
Das gut zwanzigköpfige Ensemble des Staatsorchesters Braunschweig interpretiert die vielschichtig-lyrische Komposition Boesmans’ mit einfühlsamer Perfektion. GMD Jonas Alber akzentuiert die Instrumentenklänge, lässt Assoziationen zu Verweisen auf romantische, frühmoderne, aber auch Mozart-Klänge aufkommen, gibt auch den Synthesizer-Tönen aus „dem Off“ dramatischen Raum.
Das Publikum im vollbesetzten Haus folgt dem differenziert-spannenden 75 Minuten musikalsichen lyrisch-dramatischen Geschlechterkampfs mit großer Spannung, reagiert mit langanhaltendem emotional beeindrucktem Beifall – ein Triumph für Boesmans Oper, für Braunschweigs Theater, für das Publikum! (frs)
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