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Macbeth als grausame Poligroteske
Als Saisonauftakt und als Einstieg der neuen Intendanz unter Klaus Weis,
hat die Bonner Oper Verdis Macbeth auf die Bühne gebracht. Und dieser
Macbeth hat es in sich. Die Regisseurin Vera Nemirova erzählt die Geschichte
des unaufhaltsamen Aufstiegs eines Feldherrn als grausige Politsatire,
bei der politischer Machthunger und sensationsorientierter Journalismus
eine unheilvolle Liaison dangéreuse eingehen.
Die treibenden Kräfte dieser Inszenierung sind die Hexen und die Figur
der Lady, deren jeweiliges Kalkül Macbeth hilflos ausgeliefert ist. Die
Hexen zeigt Nemirova als sensationslüsterne Journalistinnen, die sich
wie die Geier auf alles stürzen, was sich auch nur in irgendeiner Form
medienwirksam vermarkten lässt und kleidet die veröffentlichende Meinung
in schwarze Chanel-Kostümchen. Die Lady selbst wird von Anfang an als
eine machthungrige, skrupellose Figur geschildert, die auch vor Königsmorden
nicht zurückschreckt. Macbeth wird im Verlauf der Oper zum Werkzeug dieser
beiden Parteien und stellt mit nicht enden wollenden Schlächtereien sowohl
den Machthunger der Lady, als auch die Sensationsgier der Hexen zufrieden
und wird selbst am Ende zum Opfer seiner eigenen Politik.
Vera Nemirova findet für ihre Inszenierung prägnante, stimmige, frappierende
und eingängige Bilder, die gerade durch ihre komisch-satirischen Elemente
der Aufführung eine ganz besondere Schärfe verleihen. Das zeigt sich besonders
bei den großen Chören: wurden die Hexen im ersten Akt als Journalistinnen
ausstaffiert, so sieht man sie im 3. Akt eine Pyjamaparty mit anschließender
gemeinschaftlicher Abendgymnastik. Schließlich muss Frau ja fit bleiben,
besonders als Journalist(innen)-Hexe... Auch der Chor der Verschwörer
aus dem 2. Akt bekommt gerade durch seine groteske Verfremdung (die Herren
tragen rote Luftballons in der Hand und Clownsnasen im Gesicht) eine ganz
neue Gefährlichkeit. Wenn es darum geht die kleinen Tragödien am Rande
des Krieges zu schildern, die nicht für die Titelseiten der Boulevardblätter
geeignet sind, findet sie eindringliche und zu Herzen gehende Bilder.
Musikalisch hinterließ die Produktion einen hervorragenden Eindruck: trotz
einiger Patzer zeigte sich das Beethoven Orchester von seiner besten Seite
und präsentierte unter dem neuen GMD Roman Kofman einen klangschönen und
stringenten Macbeth. Ein besonderes Lob muss bei dieser Produktion dem
Opern- und Extrachor (Leitung: Sibylle Wagner) des Theaters ausgesprochen
werden. Szenisch präsent, musikalisch präzis und von einer außerordentlichen
klanglichen Noblesse, tragen sie großen Anteil am hohen musikalischen
Niveau der Vorstellung.
Auch die Solisten sind hervorragend: Iano Tamar gestaltet eine außerordentlich
leidenschaftliche Lady Macbeth. Mit dunklem Timbre, sicherer Höhe, musikalischem
Raffinement und großer Linie gibt sie der Figur Charakter und wird so
zur treibenden Kraft der gesamten Oper. Peter Danailov beherrscht die
Partie des Macbeth souverän und gestaltet diese mit großem Sinn für das
musikalische Detail. Auch die anderen Partien sind dem Niveau der Vorstellungen
entsprechend besetzt. (tk) |
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