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Viele Wörter
Am Schluss: Mozart triumphous, seine Musik ist die Utopie. Zuvor allerdings
mehr als drei Stunden lang: liegende, schwebende, stehende Riesenmatratzen
in Weiß, Video-Projektionsflächen für animierte Wörterbänder wie bei Kluges
dctp; dazu die "Zauberflöte" als gedankenreiches "Gedicht" des spanischen
Lyrikers Rafael Argullul (nach Schikaneder), schön gesprochen von Dörte
Lyssewski - allerdings ohne Zeit zur Meditation über aphoristische Klugheiten
(das Nachlesen der Texte im vorzüglichen Programmheft ist ein intellektueller
Genuss!). Die Konzeption von La Fura dels Baus - einst die brutalen Provokateure
klassischen Theaters - geht nicht auf: Mozarts Ingenium wird eher konterkariert
als verstärkt; die ästhetischen Mittel reichen nicht für die Faszination
des Artifiziellen, vermitteln weniger "Sensibilität für Gefühle" (Bühne
Jaume Plensa).
Les Musiciens de Louvre-Grenoble - Experten für Alte Musik auf historischen
Instrumenten - lassen sich vom fulminanten Marc Minkowski zu einer verzögert-intensiven
Mozartinterpretation voller perfekt umgesetzter Liebe zum musikalischen
Detail führen; allerdings verliert sich der filigrane Klang doch im weiten
Raum der Industriearchitektur.
Auf ähnliche akustische Probleme stößt das brillante Solisten-Ensemble:
Christian Gerhahers Papageno lässt schon in Reihe 16 der hochansteigenden
Tribüne nur wenig von seinem munteren Bariton hören; Mathias Klinks Tamino
ist nur als blasser Schimmer in seiner Emotionalität hörbar; die glänzenden
Koloraturen und kristallklaren Spitzentöne von Erika Miklosas Königin
der Nacht sind nur dezent wahrnehmbar, selbst der durchaus schlagkräftige
Olaf Bär hat als "Sprecher" nicht das Gewicht, um sonor überzukommen;
Kwang Chul Youns Sarastro beeindruckt trotz aller Widrigkeiten mit einem
Stentorbass par exellence, die phantastische Genia Kühmeier, am Beginn
ihrer wohlvorbereiteten Weltkarriere präsentiert sie eine leidende Pamina
voller emotionaler Tiefe (weshalb die ja wohl nachvollziehbare Bedrohung
durch Monostatos zu einer Lachnummer im IKEA-Styropor-Kugel-Kasten wird,
bleibt eines der Rätsel dieser Inszenierung) und leistet das, was Intention
der Veranstaltung ist: emotionale Identifikation mit dem leidenden Menschen
und der Utopie einer neuen Welt. Schön, dass Gelsenkirchens hoffnungsvoller
Burkhard Fritz als 1. Geharnischter in die Fußstapfen Reiner Goldbergs
tritt, der seine Karriere mit dieser Rolle am Theater Radebeul begann!
Das Premierenpublikum - international durchsetzt, 120 Kritiker - ist sicherlich
nicht repräsentativ für die folgenden ausverkauften Aufführungen. Doch
lassen Gespräche vor der Außenkulisse der faszinierenden Jahrhunderthalle
die berechtigte Vermutung zu, dass eine enorme Erwartungshaltung bei künftigen
Besuchern besteht! (frs)
P.S.: Steven Sloane scheint mit seiner Kritik an der Akustik der wunderbaren
Halle bei non-amplified Musikaufführungen nicht so falsch zu liegen. |
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