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Fakten zur Aufführung 

DER SEIDENE SCHUH
(Paul Claudel)
5. Juni 2003 (Premiere)

RuhrTriennale
(Jahrhunderthalls, Bochum)

Points of Honor                      

Musik

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Gesang

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Regie

Bühne

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Exerzitien in der Theater-Tonne

In der Koproduktion mit dem Theater Basel hat Stefan Bachmann den "Seidenen Schuh" von Paul Claudel zur Hand genommen und ein siebenstündiges Stil-Flickwerk ganz eigener Art erschaffen. Im Zentrum der historischen Phantasmagorie stehen Dona Proeza und Don Rodrigo - die in gesellschaftlicher Konvention, religiöser Entsagungsmystik und Erlösungsmission verstrickte Richtersgattin und der nicht immer ganz edle Edelmann, der als Vizekönig seinen Liebesschmerz im fernen Amerika mit selbstgefälligem Kolonial-Despotismus betäubt.

Für die Produktion wurde ein eigenes Theatergehäuse gebaut (Bühne: Barbara Ehnes), das mitten in der Bochumer Jahrhunderthalle aufgestellt wurde. Die Vorlage von Walter Gropius hieß "Totaltheater", das Ergebnis sieht aus wie eine riesige Tonne. Im Innenraum sitzen die Zuschauer wie im Zirkusrund. Ebenerdig eine kleine Theaterarena, darüber teils umlaufende Galerien, die planetarischen Eindruck machen.

Das Ensemble ist prominent besetzt: Maria Schrader spielt die Dona Proeza als kühle, disziplinierte und stolze Frau, deren seltene Leidenschaftsausbrüche nicht wirklich glaubhaft werden. Im Don Rodrigo des Jens Albinus trifft ein dänischer Schauspieler auf eine spanische Figur, Sprödigkeit auf Leidenschaft - eine faszinierende Begegnung. Herausragend ist Sebastian Blomberg als Don Camillo. Der Rivale des Helden besticht durch präzise Ausformulierung seines Zynismus und seiner Brutalität einerseits, seines Realitätssinnes und seiner Erdhaftigkeit andererseits. Georg Martin Bode und Peter Kern übernehmen die Rollen der spanischen Könige - etwas blass in Stimme und Präsenz der Eine, klamaukig und also kernig der Andere. Und Traugott Buhre als alternder Staatsmann und Gatte Proezas: respektheischend, aber mit seinen Ressourcen ökonomisch umgehend.

Außergewöhnlich ist die Aufführung vor allem durch die gewagte Verknüpfung verschiedenster Stile: Mystisches trifft auf Klamauk, Romantisches auf Slapstick, historisch-religiöser Entsagungswahn auf zeitgenössische Politrhetorik, bunte Indio-Musikgruppe auf trashige Soapopera. Schön: so leicht passt das ergreifende christliche Mysterium von der Entsagung in eine Tonne, so kurzweilig können Exerzitien sein. (cr)


Fotos: © Sebastian Hoppe