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Die Musik
Lorin Maazels Bearbeitung des "Ring" reduziert die vier Abende auf neunzig
Minuten Wagner pur: orchestrale Effekte, Stimmungen, Pathos, Motive. Die
Bochumer Symphoniker unter Steven Sloane greifen das Angebot auf und präsentieren
sich in perfekter Spiellaune: alle Instrumentengruppen brillieren, zeigen,
zu welcher Leistung dieses Orchester fähig ist!
Der Film
Christoph Hübners Bilder vermeiden platte gegenständliche Analogien, suchen
nach abstrahierenden Kommentaren, enttäuschen damit konkrete Assoziationen
("Das ist der Rhein"), versuchen Wagners musikalische Botschaft zu visualisieren
- durch Auswahl der Motive (aus dem Fundes der Ruhr-Romantik), durch technische
Verfremdungen (Kontern von Bildern, Polarisationen, Negative), durch Montagetechniken
auf der zweigeteilten 16 Meter breiten Leinwand (gegenläufige Sequenzen,
zusammenfließende Einstellungen, suggestive Verdoppelungen) und durch
Übernahme Wagnerscher Leitmotivik, nicht pedantisch, aber mit großer Kohärenz.
Die neue Dimension
Hübners Bilder "illustrieren" nicht die Musik: Sie erzählen eine fast
meditative Reflexion zur Geschichte einer sich wandelnden Landschaft als
Konfrontation ihrer untergegangenen Industriearchitektur und ihrer ebenso
überlebensfähigen Menschen. Dazwischen die Hommage an die Musik: Großaufnahmen
von Gesichtern mit Kopfhörern, der Musik lauschend.
Zwei autonome Kunstformen bilden eine dritte - anders als bei der Untermalung
von Stummfilmen, aber auch unterschieden von der zwanghaften Suche von
Bildern nach vorgegebenen Tönen. Doch bleibt beim Hören und Sehen das
Resümee nicht fern: Wenn 1 Bild mehr sagen kann als 1000 Worte, dann kann
1 Ton mehr sagen als 1000 Bilder. Ganz einfach: auch abstrahierende Bilder,
noch so assoziativ komponiert, bleiben optisch "konkret"; die Musik entsagt
sich dieser Analogie von vornherein. Doch beweist das Bochumer Experiment,
dass es sich lohnt, die wechselweise Wirkung sinnlichen Hörens und Sehens
als integriertes "Drittes" zu provozieren.
Das kundige Publikum im Audimax der Ruhr-Universität - dem extraordinären
Konzertsaal der Stadt - übernimmt die immanente Spannung von Musik und
Film, braucht am Schluss die Atem holende Pause vor dem enthusiastischen
Applaus. Dem einen oder anderen allerdings war es zuviel "Ruhr-Klischee":
schließlich zeigt die Stimmung im Revier nach vorn (und zur selben Zeit
gewann Schalke zum zweiten Mal nacheinander den Pokal!); da sind "Opfertod
und Erlösung" eben nicht das Ende, sondern realer Anfang! (frs) |
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