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Zarte Deutung
Stolz steht die Jahrhunderthalle im Bochumer Westpark, ein Zeugnis der
industriellen Vergangenheit, jetzt der Kunst gewidmet. Das Konzertprogramm
war auf den Raum abgestimmt: Zur Eröffnung wurde Alessandro Striggios
"Ecce Beatam Lucem" aufgeführt, ein Stück des 16. Jahrhunderts, das die
katholische Gegenreformation feiert. Es war hier in der Industriehalle
mit kathedralenartigen Ausmaßen am richtigen Ort.
Der Chor des Bayerischen Rundfunks, Einstudierung Michael Gläser, unter
der Leitung von Steven Sloane schaffte eine großartiges Hörerlebnis, das
religiöse und spirituelle Gefühle verdichtete. Messiaens "L´Ascension"
und Wagners "Parsifal", III. Akt, ließen diese Gefühlswelt weiter wachsen.
Steven Sloane und seine Bochumer Symphoniker, die bei großen Herausforderungen
regelmäßig zur Höchstform auflaufen, boten eine durchwegs schlanke, beinahe
zarte Deutung der Stücke. Durchdacht und klar, aber nicht intellektualisiert,
zupackend und mit dem Mut zu kurzen Eruptionen.
Die Sänger Christian Franz als Parsifal, Franz-Josef Selig als Gurnemanz
und Olaf Bär als Amfortas boten die hervorragende Leistung, die man in
dieser Liga erwarten kann.
Und doch bleibt ein kleiner Rest Unbehagen, der sich nicht auf die Musik
bezieht, sondern auf den Verzicht auf szenische Elemente. Es ist schwierig
auszublenden, dass sich die Personen aufeinander beziehen, sich mit ihren
heftigsten Gefühlen von Schuld und Mitleid, von Wandlung und von Reifung
auseinandersetzen und dabei unverwandt nebeneinander stehen, im Anschluss
an ihren Part einen Schluck aus der Volvic-Flasche nehmen, der ihnen ausdrücklich
gegönnt sein soll.
Aber dennoch passiert immer auch das Unvermutete: Der Knabenchor und die
Chordamen, die hinter der Bühne agierten, traten zum Schlussapplaus nach
vorne und man wurde sich des ätherischen Klanges bewusst, der zuvor den
Raum verzaubert hat. Das Publikum reagierte mit ausgelassenem Beifall.
(su) |
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