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KEINE PARASITEN
Ein Dichter trifft in der Isolation
seines Zimmers mit den von ihm erschaffenen Dramenfiguren zusammen. Erwin
Koltermann komponiert zum Text Jan Demuths alles was Instrumente hergeben;
von der lieblichen Grazie der Geigen bis zur kunstvollen Entstellung am
Klavier - inspiriert durch Thomas Bernhards Metapher der Maden, die nach
dem Tod mit "Musik im Kopf die Sache weiterspielen".
Sibylle Broll-Pape inszeniert ein Wechselbad der Gefühle vor einer unaufhörlich
näherrückenden Spiegelwand (Bühne Elisabeth Brockmann), in der der verzweifelnde
Dichter schließlich im Zentrum seiner Geschöpfe unter ihrem rhythmischen
Gleichklang verstummt.
Der Countertenor Johannes Reichert spielt und singt den gedanklichen Schöpfer
der Kreaturen - Barbara Ochs als Klytemnästra, Jörg Bräuer als Hamlet,
Margitta Rosales als Lulu, die ihn mittels klassischer Dramen- bzw. Operngestalten
verführen wollen. Mal sind es kalt-abstoßende Töne, und lauwarm verführerische
melodiöse Klänge und mal heiß-laut exaltierte Eruptionen, die Gesang und
Musik bestimmen:
Stevko Busch, Donja Djember, Patrick Hagen und Katrin Mickiewicz setzen
diese konvulsiven Maden-Bewegungen mittels Klavier, Cello, Klarinette
und Geige atmosphärisch um. Sie bewegen sich dabei an unterschiedlichen
Spielorten, integrieren Bühne und Auditorium zur theatralen Einheit. Im
musikalischen Gleichklang eines Madrigals verzehren Sänger und Musiker
als "Die Maden" ihren Schöpfer.
Mit theatralen Mitteln entsteht ein intensives "Kammermusiktheater": das
anspruchsvolle Prinz-Regent-Theater Bochums setzt neue Maßstäbe. Und das
unvoreingenommene Publikum setzt sich mit intellektueller Herausforderung
- und mit neuen musikalischen und sängerischen Formen - bereitwillig auseinander.
Nachdenklicher Applaus. (frs)
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