Elementare Kräfte
Ein Wunder: Die konzertante Aufführung wird zum hinreißenden Erlebnis elementarer Kräfte archetypischer Konstellationen. Kalkulierte Auftritte, wenige bedeutungsdeutliche Gänge, sparsame Gesten, intensive Blickkontakte: eine intelligent interpretierende Regie schafft kommunikative Beziehungen (leider gibt's keinen Hinweis auf den Regisseur!).
Albert Bonnema präsentiert einen naiv-emotionalen Siegfried, sein Tod wird zum ergreifende Abschied von Brünnhilde. Gregory Franks Hagen ist geballte Zersörungskraft; er beherrscht den zögerlich-feigen Gunther (rollentypisch perfekt Stephen Owen). Michaela Kaune gibt der hilflos-verstörten Gutrune anrührenden Klang. Susan Bullock ist als Brünnhilde am eindrucksvollsten, wenn sie auf ihre inneren Stimmen hört, klingt eher flach in dramatisch-erregten Passagen.
Die Bochumer Symphoniker spielen kongenial: präsent-ausdrucksstarke Bläser, differenziertes Schlagwerk, Streicher mit intensiven tutti, sensiblen piani - Höhepunkt: der Trauermarsch ist weit entfernt von heroischem Kitsch, wird vielmehr zum ergreifenden Ausdruck maßloser Trauer. Steven Sloane bereitet einen wahrhaft großen Wagner-Abend!
Im Publikum in der grandiosen Jahrhunderthalle verbreitet sich Atemlosigkeit; die spürbare Spannung löst sich in langsam ansteigendem Beifall!
Ein denkwürdiger Abend - auch ein Argument für die Kulturhauptstadt! - wäre da nicht ein total danebengegriffenes Vorspiel "Bochumer Boten" des Schauspielhauses: Vier Schauspieler sprechen in 35 Minuten ca. 30 Textschnipsel bekannter, nicht genannter Autoren (aber man kann ja raten) zum Thema "Stadt". Da wird aus verschiedenen Zeiten rezitiert, aus verschiedenen Kontexten; es bleibt der nicht reflektierbare Eindruck apodiktischer Kulturkritik, des larmoyanten Literaten-Selbst-Mitleidens an der Stadt. Eine peinliche Angelegenheit. (frs)
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