The Man in Black
Johnny Cash (1932 bis 2003): Country- und Folk-Sänger, geschätzt für sein romantisches Image, Ikone der amerikanischen Protestbewegung, hemmungslos tabletten- und gewaltabhängig in der Frühzeit seine Karriere, 35 Jahre lang stabilisiert durch seine Frau June, in Deutschland wahrgenommen durch seinen Army-Job als Funker in Landsberg, Aufsehen erregend sein Konzert in Folsom Prison, musikalisch gepowert durch die Tennessee Three – geehrt durch Tribute to Johnny Cash 1999 in Manhattan mit einer grandiosen Welt-Show:
Dies alles bringt das Schauspielhaus Bochum in fabelhafter Intensität auf die (Theater-)Bühne – eine komprimierte Lebensgeschichte als Dokument der Lebensgefühle einer hin- und hergerissenen Generation.
Das kollektiv entstandene Kaleidoskop der Cash-Biografie und -Musik präsentiert sich in reduziert-prononzierter Geradlinigkeit, auf einer authentisch-unaufgeräumten Show-Bühne (Julia Ströder) mit einer deformierten Projektionsfläche für Bilder von Plakaten, fragmentarischen Farb-Effekten und dokumentarischen Fotos - im düsteren Licht, durchweht von waberndem Bühnen-Nebel.
Darauf eine ungemein variabel agierende Band mit Gregor Hengesbach, Torsten Kindermann, Ingmar Kurenbach, Karsten Riedel und Jan Sebastian Weichsel – da werden riskante Instrumenten-Soli geboten, da fasziniert ein variabler Klang unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten des durchaus nicht phantasielosen Genres!
Thomas Anzenhofer ist The Man in Black – ein perfektes Double mit kontrollierten Gesten, lakonischen Kommentaren und einer markanten Stimme, die Johnny Cash stimmlich intelligent bravourös lebendig werden lässt: locker-intonierend in den konventionellen Country-Passagen, zurückhaltend in den fast spirituellen Gospels, leidenschaftlich im Protest.
Dieser großartige Schauspieler mit verhaltener Präsenz und der unvergleichlich ausdrucksstarken Stimme und seinem bislang unentdeckt gebliebenen sonor-variablen Bass-Bariton wird ergänzt durch die amerikanisch-typisierende Karin Moog (sie gibt herrliche Kostproben ihrer durchsetzungsstarken Sing-Stimme!) und Oliver Möller, der als Highlight des Abends einen grandiosen Bob Dylan-Auftritt zelebriert!
Arne Nobel hat als Regisseur die dankbare Aufgabe, voll motivierten Darstellern ihre kalkulierten Gänge und Positionen zu vermitteln, sie in nachvollziehbare Konstellationen des realen Show-Geschehens zu stellen.
Im Bochumer Schauspielhaus des – leider – gehenden Intendanten Elmar Goerden hat sich diese hinreißende Meta-Show zum Kult-Ereignis entwickelt. Die Kammerspiele sind voll besetzt, das bunt gemischte Publikum geht leidenschaftlich mit, ist offen für die eher beiläufig eingestreuten „Botschaften“ des musikalisch bestimmten Geschehens und feiert die Akteure enthusiastisch. (frs)
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