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COOLNESS
Ganz vorzügliche Sängerdarsteller
beherrschen die Szene in Bielefelds "Werther": Luca Martin ist ein selbstbewusst-zweifelnder
Werther, stimmlich kompetent voller Verve, darstellerisch überzeugend.
Mojca Vedernjaks Charlotte elegant in der Erscheinung, agil bei Stimme,
Liebe und Enttäuschung, bitter artikulierend. Denis Combe-Chastel bleibt
die undankbare Rolle des Stinkstiefels Albert; er bewältigt das schauspielerisch
exzellent, bei aller Selbstverleugnung, sein Bariton strömt voluminös.
Cornelie Isenbürger ist eine impulsive Sophie mit klarer Intonation.
Das Bielefelder Orchester spielt unter Felix Krieger durchaus kraftvoll,
flüchtet nicht in romantisierende Klischees, deckt aber auch nicht die
Sänger zu.
Die Regie-Idee Philipp Kochheims scheint im Einbruch des Außenseiters
Werther in einer postmodern-coolscheinende "Familie" zu liegen. Friedrich
Despalmes baut dazu ein ebenso postmodern-akzentuiertes Ambiente: ein
Loft mit verfremdenden Accessoires und einen Fernseher, der mit kaum identifizierbaren
Filmzitaten Verweise auf die Bedeutung der Zusammenhänge der handelnden
Personen geben soll. Doch bleibt das alles Intention, vermittelt sich
nicht dem Zuschauer - zumal die Übertitel wegen überstrahlendem Streulicht
unlesbar sind.
Für den emotional nicht ergriffenen Zuschauer bleibt die verstörte anschließende
Diskussion: Dekonstruktion von Konventionen bedarf eben der sinnlichen
Sensibilisierung! Die Premiere in Bielefeld findet vor gelichteten Reihen
statt. Die permanente Destruktion der herrschenden theaterfeindlichen
Stadtpolitik zeigt Wirkungen. Gott sei Dank stehen große Teile des Bielefelder
Publikums mit Leidenschaft hinter ihrem erstklassigen Theater! (frs)
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