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Kleinbürgerliche Enge
In Bielefeld spielt Janaceks Drama im Milieu der miefigen 50er Jahre -
Wohnküche mit Kühlschrank, Elektroherd und Kinderwagen; die Wände schieben
sich zu bedrängender Enge, öffnen sich zu Blicken in dunkle Nacht (Bühne:
Karen Fries).
Der junge Regisseur Aron Stiehl versucht die Symbolsprache Janaceks zu
"übersetzen, um Betroffenheit zu erzeugen"; dazu bemüht er sich, keine
Person zu denunzieren, will Seelenkonstellationen zeigen und verweist
auf die Qual, den Druck der (bigotten) Gesellschaft zu ertragen. Das ist
ein überzeugendes Konzept, doch fehlt der Realisierung die metaphysische
Dimension der Tragödie. Es bleibt bei einem kleinbürgerlichen Trauerspiel,
das durchaus rührt, aber nicht existenziell betrifft.
Peter Kuhn ist ein souveräner Leiter des disziplinierten Philharmonischen
Orchesters der Stadt Bielefeld: er unterstreicht die Kammertöne in Moll,
betont die spröde-melancholischen Stimmungen des Janacek-Verismo. Das
Programmheft gibt bestätigenden Aufschluss!
Das hochkarätige Ensemble - Johannes M. Kösters als momentan auftretender
"Altgesell"! - verharrt eher statisch, aber überwältigt mit ausdrucksvoller
Gesangsinterpretation: Sharon Markovich mit impulsiven Ausbrüchen als
ambivalent-ausrastende Küsterin; John Charles Pierce unbegriffen-machohafter
Steva; Luca Martin als hassend-liebender Underdog; und eine hochkompetente
Karine Babajanyan als einer geifernden Umgebung ausgelieferte Jenufa:
Eine ergreifende Interpretation der Janacek-Vorgaben! Das übrige Ensemble
des Bielefelder Theaters singt auf höchstem Niveau, der Chor (Leitung:
Angela Sleeman) vermag vor allem in den Molltönen zu Tränen zu rühren.
Selten hat man ein derart mucksmäuschenstilles Publikum erlebt: kein Husten,
kein Wispern, vielmehr gespanntes Nachvollziehen des Bühnengeschehens
- aber das traditionsreiche haus ist spärlich besetzt! Es ist unbegreiflich,
weshalb das städtische Publikum sich verweigert, und die höchstklassigen
Aufführungen so wenig auswärtige Besucher attrahieren. (frs) |
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