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VERLOREN IM RAUSCH
Wohl selten ist der dichterische
Impetus E.Th.A. Hoffmanns so adäquat auf der Bühne umgesetzt worden wie
mit Gregor Horres' Version von Offenbachs "Hoffmanns Erzählungen": Da
geht es in Bielefeld nicht um die Rahmenhandlung für drei real stattgefundene
Episoden. Vielmehr lebt Hoffmann in Rausch und Wahn, erfindet Geschichten
und findet keinen Ausweg aus seinen Fantasiewelten. Die Muse bleibt die
Muse, beobachtend und kommentierend, wird nicht zum hilfreichen Kumpel
Niclas. Diesem plausiblen, tragfähigen und durchgängig hinreißenden Konzept
leistet die variable Bühne mit ästhetisch verweisenden Vesatzstücken von
Rudolf Rischer - Olympia wird aus einem elektronischen Labor gesteuert
- wesentliche Hilfe, verstärkt durch thematisch akzentuierende Kostüme
von Ursula Renzenbrink mit bedeutungstragenden Accessoires.
Den großartigen Theaterabend realisieren Chor, Orchester und Solisten:
Selten ist ein spielfreudigerer Chor zu erleben - z.B. als Automaten auf
Spalanzanis Ball - mit klangvoll integrierten Stimmen (Leitung: Angela
Sleemann); das Bielefelder Orchester folgte Peter Kuhn in die diffizilen
Brüche, Tempo- und Dynamikwechsel Offenbachschen Ingeniums in allen Instrumentengruppen.
Das hochkarätige Ensemble sang auf oberstem Niveau. Da fasziniert Alexander
Marco-Buhrmester in den Rollen des Lindorf und Co. mit voluminös-ausdrucksstarkem
Bariton; da brillierte Diana Amos mit abenteuerlichen Koloraturen als
Olympia; da gibt Melanie Kreuter darstellerisch eine jungendlich-verunsicherte
Antonia mit anrührendem, äußerst geschmeidigem stimmschönen Sopran; da
verblüfft Sharon Markovich mit enormer Kraft und gestandenen Spitzen im
fulminanten Zusammenspiel mit Chor und Orchester; und da glitzert Andrea
Santo als Muse mit irrlichterndem Mezzo; Luca Martins Stimme entwickelt
sich mit edel-metallischem Klang à la Neil Sheikoff zu immer größerer
Strahlkraft; mit seiner enormen Bühnenpräsenz gibt er einen Hoffmann voller
irren Dichterwahns - eine bewundernswürdige Studie von sänger-darstellerischer
Kompetenz!
Das Bielefelder "Opernwunder" gewinnt neue Dimensionen: hochperfekte Aufführungen
unter Leitung renommierter Regieteams mit Solisten in allen Rollen - Lassi
Partanen als virtuoser Franz! - auf höchstem Anspruchsniveau.
Das Bielefelder Publikum feiert die außergewöhnlichen Leistungen seines
Theaters mit emotionaler Zustimmung. Der Bielefelder "Hoffmann" konkurriert
mit Kölns großem Wurf; und das erheblich geringer etatisierte Haus muss
keine Abstriche machen. Ein Triumph! (frs)
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